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Sturm ueber Thedra

Sturm ueber Thedra

Titel: Sturm ueber Thedra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Stuhr
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schreckte wie aus einem tiefen Traum auf und sah sich verstört um. "Ich will nicht, dass ihr dort hineingeht", sagte er in seiner langsamen Art, statt einer Antwort.
    Fakun hatte ein wenig mit Hund gespielt. Nun hörte er auf damit und kam zum Feuer. Der Umhang war ihm über die Schulter gerutscht, und Teri freute sich - bei aller Sympathie für Rolo - darauf, mal wieder allein mit ihm zu sein. Mit weichen, fließenden Bewegungen setzte Fakun sich neben den Moomann. "Was ist mit dem Wald?"
    "Er macht böse", erklärte Rolo schlicht.
    "Wie meinst du das? Wen macht er böse?" Fakun verstand nicht, was Rolo meinte.
    "Alle Leute!" Rolo machte eine weit ausholende Armbewegung. "Alle, die dort reingeh'n!"
    "Gibt es Wegelagerer dort? Sind das die bösen Leute, oder was meinst du?"
    "Nein! - Alle werden böse! - Es ist die Luft!"
    "Was macht denn die Luft?" Teri seufzte leise. Manchmal war es nicht einfach mit Rolo, aber wenn es in dem Wald Gefahren gab, dann mußten sie erfahren, welcher Art sie waren.
    "Man fängt da an zu zanken! Es gibt da Geister in der Luft, die einem Sachen sagen. - Sachen, die man gar nicht hören will. - Und dann muß man zanken!"
    "Warst du schon einmal dort?" Fakun wollte auch Genaueres hören.
    "Nein!" Rolo hob abwehrend die Hände. "Bei allen Göttern, nein! Keiner aus Moorstadt geht in den Wald! Keiner! Meine Großmutter hat mir mal erzählt, dass ihr Urgroßvater hier war. Er wollte Otterfelle nach Unterpass schmuggeln. - Da hat ihm sein bester Freund mit der Axt den Arm abgeschlagen. - `Immer muß man zanken in dem Wald', hat er gesagt, und dann ist er gestorben."
    "Mach dir keine Sorgen, Rolo", Teri war zu der Überzeugung gekommen, dass Rolo einem Ammenmärchen aufgesessen war, "uns wird der Wald schon nichts tun."
    Rolo schien nicht überzeugt, und auch Fakun schaute jetzt etwas bedrückt drein. Aus verschiedenen Unterhaltungen wußte Teri, dass Fakun ein deutlich anderes Verhältnis zu Geistern hatte, als sie selbst. Nach seinem Glauben blieben die Seelen der Verstorbenen auf der Erde. - In seinem Heimatland irrten sie in der Steppe umher und flüsterten den Lebenden allerlei wunderliche Dinge ein. Zum Beispiel brachten sie es fertig, blühende Landschaften mitten in die glühende Steppe zu zaubern, die der Wanderer nie zu erreichen vermochte. - Nach Fakuns Glauben waren die Geister stark, und jetzt hatte Rolo es mit seinem Gerede fertiggebracht, dass er Angst bekommen hatte.
    "Wir sollten vielleicht schlafen", schlug Teri vor. Das Abendessen war so reichlich gewesen, dass sie jetzt faul und träge war. Die anderen waren einverstanden, und so legte man sich zur letzten gemeinsamen Nachtruhe um das Feuer.

    Nach dem Frühstück fand Teri Zeit, sich selbst einmal am Waldrand umzusehen. Sie mußte zugeben, dass die Bäume wirklich ein bisschen sonderbar, ja sogar beängstigend aussahen. Armdicke, feucht glänzende Rindenwulste von grauschwarzer Färbung drehten sich an kurzen, klobigen Stämmen empor, die in flachen, weit ausladenden Kronen endeten, an denen weißgraue, lange Flechten hingen. Der Wald sah wirklich aus wie eine Versammlung breitschultriger, bösartiger Gnome, die nur darauf wartete, einen leichtsinnigen Wanderer zu fassen zu bekommen.
    Teri gab es nur ungern zu, aber der Wald beeindruckte sie. Er ängstigte sie sogar ein wenig! Zögernd trat sie näher und legte vorsichtig die Hand an einen der Bäume. - Es war nicht das wohlvertraute Lied lebenden Holzes, was Teri nun spürte - es war nur ein Zerrbild davon: - Der Baum war uralt. Er war so alt, dass das ewige Spiel der Jahreszeiten ihm nichts mehr bedeutete. Nichts war von Wachstum, nichts von Erneuerung zu spüren. Der Baum hatte schon Ewigkeiten hier gestanden und war zu müde, um zu sterben.
    Teri zog die Hand zurück und betrachtete ihre Fingerspitzen. Eine schleimige Schicht hatte sich über die Hautpartien gezogen, die den Stamm berührt hatten; aber nicht Fäulnis war es, was die Oberfläche der Rinde überzog, sondern eine eher ölige Schutzschicht hatte sich darübergelegt.
    `Schutzschicht' - Was für ein sonderbarer Gedanke! Schutzschicht gegen was ? Nachdenklich ging Teri zum Lager zurück. Wenn es in dem Wald etwas Böses gab, dann hatten die Bäume jedenfalls nichts damit zu tun, das war sicher! Der Baum, den Teri berührt hatte, war krank gewesen, nicht bösartig. - So krank war er, dass er sich kaum noch wie ein Baum angefühlt hatte. Teri schien es, als habe dieses bedauernswerte Gewächs nicht mehr Leben in

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