Sturm ueber Thedra
nicht begreifen, was sich da zwischen Aganez und Ging abspielte, also kochte sie ihr Essen und schwieg.
Aganez hatte kräftig zugelangt. Seit sie zusammen reisten, kochte Teri für ihn mit - eine der wenigen Eigenschaften, die der Magier an seiner Begleiterin schätzte. Hätte er allerdings gewußt, dass sie nur dafür sorgen wollte, dass er bei Kräften blieb und sie nicht noch mehr Arbeit damit hatte, seinen gebrechlichen Körper durch das Gebirge zu schleppen, wäre wohl auch noch sein letztes bisschen Sympathie für sie erloschen.
Schließlich war es wieder Zeit für den Aufbruch. Teri packte das Kochgeschirr in ihr Bündel, während Aganez einfach aufstand und in der alten Richtung weiterging.
Teri hatte sich während des Essens mit Ging unterhalten und einiges an Neuigkeiten vom Kontinent erfahren: Wie ein Lauffeuer hatte sich die Nachricht vom Fall Thedras in den Städten entlang der Küste ausgebreitet. Allgemein herrschte Schadenfreude, dass die arroganten Thedraner endlich einmal eine Lektion bekommen hatten, wenn man auch, andererseits, gerade den Dramilen den Sieg nicht gönnte.
Athan hatte in Cebor, dem Thedra am nächsten gelegenen Hafen, einen Stützpunkt errichtet, von dem aus er das Frachtgeschäft mit den Fliegenden Schiffen in kleinem Rahmen weiterhin betrieb. Es gab in Cebor sogar so etwas wie eine thedranische Exilregierung, die sich vor allem aus Kaufleuten und Kapitänen zusammensetzte. Bislang hatte diese Versammlung allerdings davon abgesehen, Söldner anzuwerben, da selbst die Kenner Thedras und Estadors nicht gewußt hätten, wie die Mannschaften an Land zu bringen seien.
Erfreulich fand man es in den Häfen des Kontinents, dass die Scharleute nun nicht mehr mutwillig auf Sklavenjagd gingen, denn es gab ja keinen Platz mehr, wo sie die Gefangenen hätten verkaufen können. Der Sklavenmarkt von Thedra existierte nicht mehr.
Nun hatte Teri schon lange gewußt, dass die Thedraner auf dem restlichen Kontinent wohl mit Respekt behandelt, aber nicht gerade geliebt wurden. Sie hatte das für den wohlverdienten Neid gehalten, den der Starke genießt. Jetzt ging ihr aber auf, dass die Besatzungen der Fliegenden Schiffe durch ihre Sklavenjagden dem Namen Thedra zu einem zweifelhaften Ruf verholfen hatten und dass, außer Schadenfreude, von den Völkern des Kontinents nichts zu erwarten war.
Mittlerweile war es so weit gekommen, dass der Gouverneur der Dramilen, ein gewisser Llauk, Unterhändler ausgeschickt hatte, um Friedensverhandlungen zu führen. Er forderte freien Abzug für Mannschaften und Beuteschiffe und wollte als Dreingabe noch fünf der Fliegenden Schiffe nach Sordos gebracht haben. Athan hatte auf diese Unverschämtheit so reagiert, dass er während der Schwalbensaison den Hafen von Sordos belagern ließ. Kaum ein dramilisches Frachtschiff war noch vor den Attacken der Thedraner sicher gewesen. König Odger tobte und forderte den Kopf seines Feldherrn, der seinerseits nun erst recht nicht daran dachte, Thedra aufzugeben. - Das war der Stand der Dinge gewesen, als Ging vor gut drei Monaten durch Cebor gekommen war.
Schwerfällig tapste Ging neben Teri hinter Aganez her. Noch immer machte der kleine Wanderer einen sehr unruhigen Eindruck, so, als läge ihm irgend etwas auf der Seele. - Ob er Sorgen hatte? - Oder war es Aganez' offensichtliche Ablehnung, die ihm zu schaffen machte? Teri beschloß, ihn vorläufig nicht zu fragen und suchte nach einem unverfänglichen Thema.
"Du trägst schwer! - Wieviel hast du jetzt?" Teri mußte an die vielen Geldstücke denken, die Ging anscheinend immer noch bei sich trug.
"Bronzestücke?", fragte Ging mit einem mißtrauischen Seitenblick auf Aganez, der wie immer mit den vorsichtig tastenden Schritten des Greises voranging, wenn der Weg eben war. "Achttausendzweiundzwanzig!", flüsterte er dann Teri zu. "Es waren zwei gute Jahre! Achttausendzweiundzwanzig - Bronzestücke!"
Teri rechnete schnell: Achttausendsechs Münzen hatte Ging in Isco gehabt; wenn er jetzt also sechzehn mehr hatte, waren das acht pro Jahr; das hieß, dass er ...
Ging sah Teri treu ins Gesicht, während er zielstrebig weiterwatschelte. Sein Stock traf mit einem sanften`Tock' auf einen Stein. "Schau nicht so entgeistert!", sagte er leise. "Aber jetzt verstehst du bestimmt, warum bei uns Wanderern die Freundschaft zu Menschen so selten ist. - Schau nicht so!"
Teri nickte stumm. Ja! - Sie verstand! Ging war kein alter Mann, aber wenn sie richtig gerechnet hatte, war er
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