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Sturm ueber Thedra

Sturm ueber Thedra

Titel: Sturm ueber Thedra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Stuhr
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für ihn wirklich eine Schwester; und er wußte mit grausamer Klarheit, dass er sie, wie alles Lebendige, bald verlieren würde. Ging haßte den Tod, der ihm schon so viel genommen hatte; vor allem haßte er aber diejenigen, die seinem Erzfeind in die Hände spielten. Seine Verachtung für Feldherrn, streitlustige Könige und andere Mörder, wie er sie nannte, war grenzenlos. Nun war es Teri auch klar, warum er vor Aganez, der sich selbst den Titel Waffenmacher gegeben hatte, zurückgeschreckt war.
    Zögernd ließ Teri los. Was war die Unsterblichkeit, wenn man sie nicht mit jemandem teilen konnte - wenn das Leben eine endlose Kette von Abschiednehmen und Verlust bedeutete? Ging tat ihr unsäglich Leid.
    Teri war im ersten Moment so erschüttert, dass ihr überhaupt nicht bewußt wurde, dass sie das alles gespürt hatte. Erst als sie sich zurücklehnte, und sich dabei auf der Felldecke abstützte, merkte sie auf. Verwundert schaute sie auf ihre Hände, die auf dem dichten Vlies lagen. Eine vage Ahnung von Steppe und Weite war spürbar, verstärkte sich, ein Gefühl von Wärme kam dazu, ein Anflug eines dumpfen Willens, etwas zu trinken, mit der Herde zu laufen! - Dann eine Ahnung von Askas Nähe, denn ihre Decke war es einst gewesen ...
    "Ich ..." Hilflos schaute Teri zu Ging. Ihre Hände tasteten über die Gegenstände, die in Reichweite waren: Das Drillholz, den Zunderbeutel, das trockene Holz. - Jeder Gegenstand hatte seine ganz eigene, unmißverständliche Ausstrahlung, so, als habe Teri ihre Begabung nie eingebüßt. "Ich kann wieder ...!" Teri fehlten die Worte. Voller Glück saß sie da, und strich bald über diesen, griff bald nach jenem Gegenstand, und genoß die Bilder und Geschichten, die diese scheinbar toten Dinge in ihr erzeugten.
    "Hat es gewirkt? - Hat es?" Ging war kaum weniger aufgeregt als Teri. Hastig zog er immer wieder seine nach oben gerichteten Handflächen an sich heran, als wolle er sich Teris Antwort zufächeln.
    Teri spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. "Ja!", brachte sie mühsam hervor und nickte langsam mit dem Kopf. Dann lege sie sich vor Aufregung zitternd auf die Seite, verbarg ihr Gesicht in dem Fell und ließ ihren Tränen schluchzend freien Lauf. Undeutlich hörte sie, wie Ging wieder begann, zu sprechen.
    "Diese Frau will nach Hause!", erklärte Ging Aganez. "Sie hat einen Befehl in sich, den ich nicht aufheben kann. Ich weiß, was ihr sucht; also werde ich euch helfen, damit sie heimgehen kann. Höre, Magier! Es gibt die Schlafende Armee, wie du sie nennst und ich kenne den Ort. Du wirst eine Macht schauen, die alles übertrifft, was du dir vorstellen kannst! Möge dir das zu Demut verhelfen, denn du wirst diese Macht genauso wenig nutzen können, wie ein Hund einen Bogen zu spannen vermag. Morgen brechen wir auf, zur Höhle der Alten - das ist der Name, den wir Wanderer ihr gaben - denn diese Frau will nach Hause!"
    "Eine Höhle!" Aganez war entzückt. "Ich habe gewußt, dass es eine Höhle sein wird! Ist es ein Tunnel? Es ist auch ein Tunnel, nicht war? - Ein Tunnel der durch das Große Gebirge führt! So bist du nach Estador gekommen, nicht wahr? - Ich habe es gewußt! Zehntausend Schwertkämpfer, gefangen in ewigem Schlaf! - Bogen die Feuer von Stadt zu Stadt schießen! - Hast du die fliegenden Türme gesehen - die sprechenden Wände? Hast du den Tisch gesehen, der die Welt zeigt - den Sitz der wahren Macht? Nun sprich doch!"
    "Du verstehst gar nichts!" Ging zeigte sich von Aganez' Begeisterung völlig unbeeindruckt. "Schlaf jetzt, Magier, wir werden morgen sehr früh aufbrechen. - Du verstehst gar nichts!" Dann warf er Teri noch einen liebevollen Blick zu und rollte sich in seinen Umhang ein, wobei die Bronzestücke in seinem Wams knirschende Geräusche von sich gaben.

    War das Verhältnis zwischen Aganez und Teri bislang schon nicht das beste gewesen, so wurde es jetzt geradezu katastrophal. Teri konnte Aganez jetzt lesen, und es gefiel ihr nicht, was sie erfuhr.
    Aganez war in Panik. Er fürchtete, zu sterben, bevor er das Ziel seines Lebens erreicht hatte. Er wollte nicht nur Wissen gewinnen, er wollte die Macht! Jetzt erst begriff Teri, wer eigentlich verantwortlich war, für den Auftrag, den Jamik ihr gegeben hatte. Aganez hatte Jamik genauso zu seinem Gehilfen gemacht, wie Teri. - Aber Teri war nicht bereit, sich ihm unterzuordnen, denn das sah der Auftrag nicht vor, und eine weitere Beeinflussung ihres Willens durch Aganez würde sie mit allen Mitteln

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