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Sturm ueber Thedra

Sturm ueber Thedra

Titel: Sturm ueber Thedra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Stuhr
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schon seit mehr als tausend Jahren unterwegs. Ging war schon durch die Welt gezogen, als es weder Estador noch Thedra gegeben hatte, und die Götter mochten wissen, wie lange er noch weiterziehen würde. - Für ihn waren alle Menschen Sterbende. Geboren auf dem Totenbett und vergänglich wie die Blumen auf dem Feld. - Würde ein Mensch sein Herz an so etwas Vergängliches wie die Blumen eines einzigen Sommers hängen wollen? Er müßte daran zerbrechen! - So mußte es Ging ergehen, der Generationen hatte aufwachsen und dahinschwinden sehen. Kein Wunder, dass er sich nur ungern mit Menschen einließ.
    Teri schwieg lange. Sie begann den kleinen Wanderer mit ganz anderen Augen zu sehen.

    Aganez führte die kleine Gruppe an, solange der Weg eben war. Kamen sie an schwierige Stellen, wie Hänge oder Bachläufe, mußte Teri ihm helfen. Ging hatte zwar nicht direkt gesagt, dass er Aganez nicht berühren wollte, aber es war ihm deutlich anzumerken, dass er sich vor der Ausstrahlung dieses Mannes ekelte. Manchmal trennte er sich von der Gruppe, um sich sichere Übergänge über Wildbäche zu suchen; ansonsten marschierte er mit seinen seltsam kleinen, schwerfälligen Schritten neben Teri her und zeigte eine Ausdauer, die Teri ein ums andere Mal in Erstaunen versetzte, vor allem, wenn sie daran dachte, dass er sein eigenes Körpergewicht in Münzen mit sich herumschleppte. Kein Abhang war ihm zu steil und keine Felsplatte zu schroff; er ließ sich nicht helfen, klagte nicht und geriet noch nicht einmal außer Atem. Als Teri ihm an einem besonders steilen Stück einmal vorschlug, dass sie ihn mit einem Seil absichern wolle, hatte er freundlich, aber bestimmt, abgelehnt. "Bin ich ein Wanderer? - Bin ich?", hatte er nur gefragt. Dann war er das Stück emporgeklettert und hatte Teri, die sich mit Aganez abmühte, oben erwartet.
    Bis zur Abenddämmerung hatten sie so eine gute Strecke zurückgelegt, und obwohl die Hauptgipfel des Großen Gebirges noch immer in weiter Ferne lagen, schien selbst Aganez einigermaßen zufrieden zu sein. Er hatte sich so weit beruhigt, dass er sich sogar dazu herabließ, Feuer zu machen. Dann saß er wieder steif in der Dunkelheit und wartete, bis Teri gekocht hatte.
    Wieder lehnte Ging es ab, mit ihnen zu essen, und Teri wurde die Sache langsam unheimlich. Nahm der Wanderer sich Aganez' Abneigung vielleicht so sehr zu Herzen, dass es ihm den Appetit verschlagen hatte? Ging war den halben Tag lang mit ihnen über Hügel und Bergflanken geklettert, zusätzlich behindert durch sein schweres Wams mit den vielen Bronzestücken darin. - Irgendwann mußte er doch endlich Hunger bekommen.
    "Du solltest freundlicher zu Ging sein!" Teri hatte Mut gefaßt und Aganez direkt nach dem Essen angesprochen. "Er ist schließlich genauso ein Mensch wie wir."
    Der alte Magier lachte kurz auf. "Ein Mensch? - Weißt du überhaupt, wie Wanderer zur Welt kommen?" Er hatte wieder seinen gehässigen Tonfall angenommen.
    "Das interessiert mich nicht!" Teri war es leid, sich Aganez' Tiraden anzuhören. Sie überlegte ernsthaft, ihn hier zurückzulassen und morgen mit Ging allein weiterzuziehen.
    "Sie werden ...", begann Aganez, stockte dann aber kurz, weil Teri ihm einen warnenden Blick zuwarf.
    "Lass ihn!" Ging beugte sich vor, so, dass Teri sein Profil im Feuerschein sehen konnte, und Teri blieb ruhig.
    "Sie werden gezeugt wie normale Menschen", begann Aganez erneut. "Jedenfalls fast so! - Was dann aber passiert, ist Folgendes: Die arme Frau, die einen Wanderer in sich trägt, wird die Frucht ihres Leibes nie zu sehen bekommen, denn der Wanderer nistet sich in ihr ein, und sie kann ihn nicht gebären. Wanderer suchen sich auch gern alte, dicke Frauen, bei denen es nicht auffällt, dass sie über Jahre hinweg schwanger sind." Aganez lehnte sich genüßlich zurück, als er Teris verwirrten Gesichtsausdruck sah und holte zum letzten, entscheidenden Schlag aus: "Wenn die Frau dann eines Tages stirbt, ist ein ausgereifter kleiner Wanderer in ihr herangewachsen, aber noch immer wird er nicht geboren. - Das, meine liebe Teri, geschieht erst, wenn die Frau im Grab liegt und verwest. Dann zerreißt der Wanderer ihren Leib, stiehlt Leichentuch oder Kleidung und wühlt sich an das Licht des Tages." Aganez lachte triumphierend auf. "So ist auch dein Freund geboren worden, kleine Hüterin! - Und darum riecht er auch so streng! - Er frißt so gern Verwestes! Es erinnert ihn an seine Mutter!"
    "Dein Begleiter weiß viel über uns! Doch ist

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