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Sturm ueber Thedra

Sturm ueber Thedra

Titel: Sturm ueber Thedra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Stuhr
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nicht jedes Wort wahr!" Ging hatte während Aganez' Rede den Kopf sinken lassen und starrte in die Flammen. "Er will unserer Freundschaft schaden! Da er aber nicht klug ist und auch nicht weise, kann seine Rede uns zum Nutzen gereichen, denn nur dumme Leute glauben dumme Lügen! - Dein Begleiter weiß viel!" Jetzt sah der Wanderer Teri an. "Hat er etwas zerstören können? - Hat er?"
    Teri war entsetzt. Aber nicht nur Aganez' Geschichte hatte sie so sehr getroffen, sondern vor allem die gehässige Art, mit der sie vorgetragen worden war. "Nein!" Fast hätte sie Ging die Hand auf den Arm gelegt, um ihn zu trösten. "Er hat nur bewirkt, dass ich ihn verachte!"
    "Wir töten nicht, wie ihr Menschen, wenn ihr essen wollt. Wir nehmen nur Gestorbenes! - Wir töten nicht!", meinte Ging sich rechtfertigen zu müssen.
    Teri war es zwar tatsächlich etwas unbehaglich, wenn sie an Gings Eßgewohnheiten dachte, aber sie versuchte tapfer, darüber hinwegzukommen.
    "Nur wenige Menschen wissen so viel von uns", fuhr Ging fort, "...wie dieser verstoßene Magier, an dessen Geschichte ich mich sehr wohl erinnere. - Nur wenige Menschen! Du hast Waffen gemacht, Aganez! Du hast den Tod vieler verschuldet! Deine Zunft hat dich verstoßen und der Kaiser hat dich verbannt! - Du hast Waffen gemacht!"
    "Ich habe Thedra groß gemacht!" Aganez beugte sich vor. "Ich habe richtig gehandelt!"
    "Wie viele hast du getötet, Aganez? Wie viele Menschen sind durch deine Waffen gestorben? Die weisen Herren von Hestron haben dich ausgestoßen, weil dein Ehrgeiz dich irregeleitet hat, und auch hier hat dein Machthunger dich verführt, nichts als Zwietracht zu säen! Was macht dich zum Richter über mein Volk? - Wie viele hast du getötet?"
    Hatte es zuerst so ausgesehen, als wolle Aganez aufspringen und den Wanderer mit seinem Schwert erschlagen, so hatte er sich doch im letzten Moment beherrscht. "Habe ich es nötig, mich vor einem schmutzigen Nichtsnutz zu rechtfertigen, der nichts versteht?", zischte er nur zwischen den Zähnen hervor und hüllte sich dann wieder in, wie er meinte, majestätisches Schweigen.
    Ging war, wie es schien, auf einmal bester Laune. Es war, als sei eine Last von ihm genommen. Freundlich sah er Teri an, die neben ihm saß. "Jetzt geht es vielleicht! Da ich jetzt keine Geheimnisse mehr vor dir habe, kann ich dir vielleicht helfen. Jetzt geht es!" Ging rutschte auf seinem Platz herum, bis er Teri direkt gegenübersaß. Langsam streckte er seine kurzen Arme aus und saß, die Handflächen nach oben gedreht, kurze Zeit stumm da. "Deine Hände, leg sie in die meinen. - Deine Hände!", forderte er Teri auf, als er sich einen Moment gesammelt hatte. - Vor den mißtrauischen Blicken des völlig überraschten Aganez reichte Teri dem Wanderer im Schein des Lagerfeuers, unter einem unermeßlichen Firmament voller funkelnder Sterne, ihre Hände, und es war wie eine Offenbarung für sie.

    Die folgende Nacht war für Teri so aufregend, dass sie kaum zum Schlafen kam. Es war, als sei ihr nach langer Blindheit das Augenlicht wiedergeschenkt worden.
    Zuerst hatte sie überhaupt nichts gespürt, als sie Ging berührt hatte. Im Gegenteil, sie hatte eher das Gefühl gehabt, etwas von sich herzugeben - selbst gelesen zu werden. Gings Gesichtsausdruck hatte ahnen lassen, dass diese Phase nicht besonders erfreulich für ihn war. - Dann, nach langen Augenblicken, hatte sich der Kraftfluß, der durch die Hände der beiden lief, umgekehrt. Teri begann zu ahnen, wer Ging war. Sie hatte die unermeßliche Einsamkeit gespürt, die tief in diesem kleinen Wanderer verankert war und die auch keine Macht der Welt von ihm nehmen konnte.
    Ging war unglaublich alt. - Viel älter, als Teri gedacht hatte, dass je ein lebendiges Wesen werden könne. Teri spürte Verlust. Verlust von Freundschaft, von Liebe und allem, was das Leben lebenswert macht. Immer wieder waren die Bande, die Ging auf der Welt zu knüpfen versucht hatte, vom Tod zerrissen worden. Während alle um ihn herum irgendwann in die große Dunkelheit gingen, war er dazu bestimmt, nahezu ewig zu leben und immer neuen Verlust zu erleiden; und doch war es ihm nun wieder passiert: - Ging liebte Teri! - Liebte sie mit einer Hoffnungslosigkeit, die nur Unsterbliche verstehen können, denn er würde noch auf der Welt sein, wenn Teri schon seit Jahrhunderten nicht mehr lebte.
    Teri spürte die Trauer, die Ging erfaßte, sooft er an sie dachte. Sie war für ihn mehr als nur ein Mensch, der ihn achtete. - Sie war

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