Sturm ueber Thedra
kommen Treppen - viele Treppen - die tief hinabführen. Man muß in die Richtung gehen, in der das Echo schwächer ist. - Die andere Seite würde euch wieder hierher zurückbringen, wenn sie nicht sowieso eingestürzt wäre. Ein guter Wanderer schafft den Tunnel in drei Tagen. Es ist dunkel dort, aber man kann weit ausschreiten. Achtet nur nach dem Schlafen darauf, dass ihr nicht in die Richtung lauft, aus der ihr ge-kommen - seid, so wie es - Woher dies Kind - ergan-gen ist. Ging hatte während der letzten Sätze glucksend vor sich hin gekichert und brach jetzt unvermittelt in brüllendes Gelächter aus.
Aganez und Teri sahen sich verständnislos an und blickten noch viel verständnisloser auf Ging, der sich vor Lachen förmlich kugelte und immer wieder "Falsche Richtung! - Falsche Richtung!", keuchte.
"Falsche Richtung! - Alter Wandererwitz!", vermutete Aganez mit unbewegtem Gesicht, worauf Teri verständig nickte.
Schließlich hatte Ging sich wieder so weit beruhigt, dass man beratschlagen konnte, wie nun weiter zu verfahren sei. Aganez wäre am liebsten sofort in den Berg hineingestürmt, aber auch er sah schließlich ein, dass die Erfahrungen von Windkind, denn das war der Wanderer gewesen, der vor langer Zeit hier eingedrungen war, nützlich sein konnten; und so wurde beschlossen, hier, auf dem seltsam glatten Boden, ein letztes gemeinsames Lager aufzuschlagen.
So verbrachten Teri und Aganez den Nachmittag damit, Ging im Schein des geheimnisvollen Lichts, das durch die offene Tür aus der Kammer drang, gründlich auszufragen und sich aus der Schilderung, die Windkind einst gegeben hatte, ein möglichst genaues Bild über die Verhältnisse hinter der kleinen Kammer zu machen. Seltsamerweise hatten es jetzt, so kurz vor dem Ziel, weder Teri noch Aganez besonders eilig. Es lag eine beklemmende Atmosphäre in der Luft und das nicht nur, weil Ging am nächsten Morgen aufbrechen wollte. Zu fremd, zu unheimlich war der rechtwinklige, kleine Raum, in den Teri und Aganez morgen gehen mußten. - Wer konnte wissen, was hinter der zweiten Tür auf sie warten würde?
KAPITEL 5 - DIE BERGFESTUNG
Träume zerplatzen nicht. Sie sterben langsam und qualvoll!
Zum Abschied machte Ging Teri noch ein besonderes Geschenk.
Die drei hatten die Nacht in der Grotte vor dem runden Tor verbracht, und keiner von ihnen hatte richtig schlafen können. Zu ungewiß war das, was der nächste Tag bringen würde.
Ging hatte Bericht erstattet, so gut er es vermochte: Vor mehr als sechshundert Jahren war Windkind, ein Mitglied des Wanderervolks, in den Ausläufern der Westlichen Berge umhergestreift und hatte dabei einen versteckt angelegten Tunnel entdeckt, der tief in den Berg hineinführte. Da ein Wanderer - außer vor Wasser und vor ehrlicher Arbeit - vor nichts Angst hat, folgte Windkind diesem neuen, unbekannten Weg und erreichte nach drei Tagen den Tunnelausgang auf der anderen Seite des Massivs.
Nie zuvor war ein Wanderer in dem unwirtlichen Stück Land gewesen, das am äußersten nordwestlichen Ende des Kontinents lag, und so hatte es für Windkind sehr viel zu tun gegeben. Volle achtzig Jahre war er im damals noch namenlosen und menschenleeren Estador geblieben und hatte es in jeder Ausdehnung gründlich durchforscht. Wandererpflicht nannte Ging das in seiner Erzählung, denn das Volk der Wanderer sah es als seine vornehmste Aufgabe an, jeden Weg des Kontinents genau zu kennen.
Auf dem Rückweg zum Tunneleingang hatte Windkind dann die Grotte entdeckt, in der Teri, Aganez und Ging nun saßen. - Die Tür in den Berg hatte sich ganz leicht öffnen lassen.
Das Licht in der Kammer war etwa seit der Mondgleiche schwächer geworden, bis es am frühen Morgen kaum mehr gewesen war, als der trübe Schein einer kleinen Öllampe. Erst als die Sonne im Osten über den Bergen auftauchte, leuchtete es wieder heller. Teri fand das sehr seltsam, aber Ging meinte auf ihre Frage, das sei schon immer so gewesen und sicherlich stecke irgendein besonderer Zauber der Alten dahinter.
Windkind hatte sich jedenfalls damals durch das unerklärliche Licht nicht abhalten lassen, in die Gänge und Hallen hinter der Kammer einzudringen. - Allerdings hatte etwas anderes ihm schwer zu schaffen gemacht: Er hatte sich kaum bewegen können, so sehr waren die Ausstrahlungen der Alten auf ihn eingestürmt. - Die Alten waren tot, daran gab es keinen Zweifel. Vor undenklichen Zeiten hatte sich in dem Gewölbe ein schauriges Drama ereignet, und das Odium des
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