Sturm ueber Thedra
Schreckens hing wie ein Fluch in den schummrig erleuchteten Gängen der Bergfestung. Gestorben und zu Staub zerfallen waren die Soldaten, die hier Quartier genommen hatten, doch mit jedem Schritt, den Windkind weiter vorgedrungen war, hatten die Geister der Alten sich stärker gegen ihn gestellt. Er war nicht in der Lage gewesen, die Höhle genau zu untersuchen und war schließlich voller Entsetzen geflohen, um nie mehr hierher zurückzukehren.
Ging brachte auch zum Ausdruck, dass er sich große Sorgen um Teri mache. - Schließlich war auch sie empfänglich für die Stimmen der toten Dinge. Wer konnte voraussagen, wie die düstere Atmosphäre hinter der Kammer auf sie wirken würde?
Nach einer unruhigen Nacht wurde es schließlich Zeit, dass Ging sich auf den Weg machte. Aganez saß während des ganzen Morgenessens schweigend da und versuchte, seine Unruhe zu unterdrücken. Als es schließlich so weit war, dass Ging sich verabschieden wollte, stand auch der Magier auf und folgte seinen Gefährten über den Steilhang auf das Hochplateau.
Oben angekommen, verneigte sich Ging knapp vor ihm und wollte sich dann Teri zuwenden.
"Warte!" Aganez hatte Ging noch etwas zu sagen: "Leider muß ich zugeben, dass ich dich falsch eingeschätzt habe", sagte er mit verkniffenem Gesicht. "Ich habe zu viel auf das Geschwätz der Leute gegeben, die viel Falsches über euch Wanderer verbreiten, und ich bin froh darüber, dich besser kennengelernt zu haben." Mit einer angedeuteten Verbeugung schloß Aganez seine kleine Ansprache ab. Wenn er nun aber mit einem Gegenkompliment Gings gerechnet hatte, so wurde der seiner Erwartung nur teilweise gerecht.
"Aganez, auch ich habe meine Meinung über dich ändern müssen", gab Ging zu. "Ich weiß nun, dass du dein Leben lang immer das Gute hast tun wollen. Die Unruhe, die du in dir trägst und die dich so bösartig erscheinen läßt, ist nur darauf zurückzuführen, dass du dein Leben lang gegen die Zeit kämpfen mußtest. Du hast dich selbst zu einem Denkmal gemacht und planst nun, dein Leben bis in alle Ewigkeit zu verlängern. - Ich bedaure, dass ich dir keine Hoffnung auf das Gelingen deines Planes machen kann! - Du wirst nie die Machtfülle erhalten, von der du träumst - Aganez!"
Noch vor wenigen Tagen wäre diese Bemerkung Gings sicherlich Anlass zu einem handfesten Streit mit Aganez gewesen, jetzt aber stand der Magier nur schweigend da und biss die Zähne fest zusammen.
"Nimm meine Hände!" Ging hatte sich Teri zugewandt. "Ich will dir ein Geschenk machen!"
Zögernd trat Teri einen halben Schritt vor. Nur einmal hatte sie Ging berühren dürfen, als er ihr die Gabe des `Dinge lesens' zurückgegeben hatte. Unsicher streckte sie ihre Hände aus.
"Dass du dich auskennst in der Welt, weiß ich; aber es ist bestimmt kein Fehler, wenn du all deine Wege in Zukunft selbst zu finden vermagst. Ich will tauschen, ich will geben! - Nimm meine Hände!"
Da es offenbar wirklich Gings Wunsch war, berührte Teri sacht seine Fingerspitzen mit den ihren. Dann griff sie, tapfer geworden, fest zu.
Zuerst war nur ein schwaches Abbild der Persönlichkeit Gings zu ertasten, und wie schon beim erstenmal war Teri gerührt von der Sanftheit, die Gings Geist ausstrahlte. Dann, langsam, fast unmerklich, begannen Bilder und Namen in ihren Geist einzusickern. Teri sah Bilder von Landschaften, Steppen, Hügeln, Bergen und Seen - sah Orte mit ihren verwinkelten Gassen und die Unendlichkeit der Südlichen Wüste. Immer schneller drängten die Eindrücke sich in ihre Gedanken, überlagerten alles andere, bis Teris Geist den anstürmenden Informationen nachgab und sich vollständig öffnete. Teri sah und hörte nichts mehr. Wie betäubt stand sie da und nahm all das Wissen in sich auf, das die Wanderer in den Jahrtausenden des Umherziehens erworben hatten.
Nach einer Weile wurde das Stakkato der Gedankenimpulse schwächer, und die Welt kehrte vor Teris Augen zurück. Als erstes bemerkte sie Ging, der mit sanftem Lächeln zu ihr aufsah. "Wo ist der Eingang zum Tunnel, der zum Kontinent führt?", fragte er sie, als sie sich wieder unter Kontrolle hatte. "Wo?"
"Auf halber Höhe des Katenberges, am Ende des Perlsteinweges. - Es ist ein waagerechter Schacht, der an seinem Anfang halb eingestürzt ist", gab Teri bereitwillig Auskunft. - Dann fiel ihr erst ein, dass sie das ja eigentlich überhaupt nicht wissen konnte.
"Der Jasminweg! Wo ist der Jasminweg?", fragte Ging ungerührt weiter.
"Der Jasminweg führt von
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