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Sturm ueber Thedra

Sturm ueber Thedra

Titel: Sturm ueber Thedra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Stuhr
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die Hände gewaschen, denn er war neben seinem Amt auch noch der größte Stellmacher im Ort. Gerade war er mit seinen Gehilfen dabeigewesen, einige Bretter für einen Wagenkasten zurechtzuschneiden.
    Der Richter war ein hagerer Mann von etwa fünfzig Jahren, der mit wachsender Nervosität feststellte, dass sich der Platz vor seinem Haus zusehends mit Menschen füllte.
    Teri sah sich in der Werkstatt um und ließ sich vorerst alles gutwillig gefallen. Falls ihr das alles hier zu bunt wurde, konnte sie ja immer noch schnell werden und von hier verschwinden. Den Reden der Leute um sie herum hatte sie entnommen, dass sie beschuldigt wurde, Erdbeben und Himmelbrand gemacht zu haben, und da sie genau wußte, dass sie es wirklich gewesen war, überlegte sie erst einmal, wieviel von ihren Erlebnissen sie den Leuten hier wohl erzählen könne, ohne sofort für verrückt erklärt zu werden. - `Besser nichts!' entschied sie für sich und schaute mit Unschuldsmiene in die Welt.
    Draußen wurde der Haufen der Neugierigen unruhig. Teri hörte mehrfach den Namen Ossek aus dem Stimmengewirr heraus. Augenblicke später öffnete sich die Tür zur Werkstatt, und ein massiger junger Mann kam schwungvoll herein.
    "Ossek!", wurde er vom Richter begrüßt, der sich gleich darauf Teri zuwandte. "Das ist der Ankläger", erklärte er. "Lasst uns hinausgehen und beginnen."
    Das fand Teri nun wirklich verblüffend. In Thedra, und so weit Teri wußte, auch auf dem ganzen Kontinent, war der Richter immer gleichzeitig auch der Ankläger. Wenn mehrere Bürger sich geschädigt fühlten, ermittelte der Richter in der Sache und zitierte die Beklagten dann vor seinen Stuhl. Diese waren dadurch natürlich schon so gut wie verurteilt, denn wenn der Richter nichts Belastendes gefunden hätte, wären sie ja gar nicht geladen worden. - Hier in Stein gab es nun also einen Ankläger, was bedeutete, dass der Richter unvoreingenommen entscheiden konnte - und den unwilligen Blicken nach zu urteilen, die er Ossek zuwarf, würde er das auch tun. - `Sehr praktisch!' fand Teri. `Wirklich sehr praktisch!'
    Trotzdem hatte sie noch ein sehr wichtiges Anliegen: "Du kannst mich nicht aburteilen", sprach sie den Richter an. "Ich bin Scharfrau von Thedra und unterstehe ausschließlich der Schargerichtsbarkeit. - Ich verlange also, vor ein Schargericht gebracht zu werden!"
    "Wie soll das gehen?" Der Richter schüttelte verständnislos den Kopf. "Jedermann weiß, dass es kein Schargericht mehr gibt, seit Thedra gefallen ist. - Du wirst dich also mit meinem Urteilsspruch zufriedengeben müssen."
    "Den ich nicht akzeptieren werde!", warf Teri trotzig ein.
    "Wer tut das schon?", seufzte der Richter. "Da bist du nichts Besonderes! - Gehen wir nach draußen."

    Vor dem Haus des Richters hatte sich mittlerweile eine ansehnliche Menschenmenge zusammengefunden. Einzelne Rufe wurden laut, als Teri ins Freie trat, und es waren durchaus keine freundlichen Ermunterungen, die ihr da entgegenschallten.
    Teri sah sich kurz die johlende Menge an. Sie hatte den Eindruck, als habe sich hier der gesamte Abschaum der Stadt versammelt, um zu erleben, wie ihr der Prozeß gemacht wurde. Wüste Schmähungen wurden ihr entgegengeschleudert, und sogar zwei, allerdings schlecht gezielte Steinwürfe kamen aus der Menge, bis der Richter die Hand hob, Ruhe gebot und den Ankläger aufforderte zu beginnen.
    Ossek, der Ankläger, forderte einige Zeugen auf, vorzutreten und ihre Erlebnisse zu schildern.
    "Meine Ziege hat zwei Tage lang saure Milch gegeben", behauptete eine Alte, deren abgerissene Kleidung voller Flecken war. "Ich fordere Ersatz."
    "Ein großer Krug mit Honig ist mir aus dem Regal gefallen und zerbrochen", beschwerte sich ein gut gekleideter Mann. "Ich fordere Ersatz."
    "Glut ist aus meiner Feuerstelle gesprungen und hat einen Teppich versengt. Ich fordere Ersatz", trug ein Mann vor, der so aussah, als habe er noch nie in seinem Leben einen Teppich besessen.
    "Das sind ja wirklich schwere Vorwürfe, die da erhoben werden", stellte der Richter fest, wobei er sich eines spöttischen Lächelns nicht erwehren konnte. Dann wandte er sich Teri zu. "Hast du das alles verursacht?" fragte er sie freundlich. "Und wenn ja, warum?"
    "Nichts von alledem!", behauptete Teri wider besseres Wissen. "Ich selbst habe mich furchtbar erschreckt, als die Erde zu beben begann!" - Und das stimmte nun wieder.
    "Was ist denn eigentlich in den Bergen geschehen?", wollte der Richter nun wissen. "Du warst doch

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