Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturm ueber Thedra

Sturm ueber Thedra

Titel: Sturm ueber Thedra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Stuhr
Vom Netzwerk:
ein Stück den Hang hinauf, und wieder rückten die Eltern weiter von ihr ab.
    Teri kicherte irre. - Oh, ihr Götter, war das ein Spaß! Immer wieder versuchte sie, ihre zurückweichenden Eltern zu erreichen, die es irgendwie schafften, den Anfangsabstand beizubehalten, obwohl Teri sie nicht ein einziges Mal klettern sah. - So etwas Lustiges hatte Teri überhaupt noch nie erlebt!
    Nach einer unendlich langen Zeit voller spaßiger, kleiner Jagden verschwand das Trugbild genauso plötzlich, wie es erschienen war und ließ nur Erschöpfung und Schmerz zurück. Teri war ein wenig enttäuscht, kroch aber dennoch beständig weiter. Erst als es Teri, lange nach der Tagteilung, ein wenig besser zu gehen begann, bemerkte sie, dass sie den Scheitelpunkt des Bergeinschnitts bereits überschritten hatte, und nun schon seit geraumer Zeit wieder bergab kroch. Vorsichtig richtete sie sich auf und wagte einige zaghafte Schritte. - Es ging wirklich bergab. Nach einiger Zeit ließ das Rauschen in den Ohren nach, und auch die Kopfschmerzen tobten nicht mehr ganz so schlimm hinter ihren Augen.
    Am Ende ihrer taumelnd und halb bewußtlos zurückgelegten Strecke ins Tal fand Teri den Felsüberhang, den die Wanderer Ziegendach nannten. Unendlich erleichtert registrierte Teri, dass sie es geschafft hatte, den Pass des zerbrochenen Stabes zu bezwingen. Kraftlos ließ sie sich auf den Boden sinken und schaffte es gerade noch, die Felldecke über sich zu ziehen, dann war sie schon eingeschlafen. Bedrückende Träume verfolgten sie, während die Sonne hinter den westlichen Gipfeln versank. - Es war noch sehr weit bis zur Bergstadt Stein.

    Mitten in der Nacht erwachte Teri vor Kälte zitternd. Verwirrt richtete sie sich auf und sah sich um. Fast direkt über sich entdeckte sie die runde Scheibe des Mondes, die helles Licht auf die bizarren Formen der Bergwelt warf. Sie war bei ihrer Ankunft wohl so erschöpft gewesen, dass sie es noch nicht einmal geschafft hatte, unter das schützende Felsdach zu kriechen.
    Weit dehnte sich die imposante Landschaft des Hochgebirges vor Teris Augen aus. Der Pass, den Teri bezwungen hatte, war höher, als fast alle umgebenden Berge. Die Gipfel erstrahlten im Schein des flach über dem Horizont stehenden Mondes und die Schluchten wirkten ob ihrer Lichtlosigkeit tatsächlich bodenlos tief.
    Trotz der beißenden Kälte blieb Teri noch einen Augenblick lang sitzen und warf einen Blick zum Himmel, um sich zu orientieren, wie sie es auf See gelernt hatte. Das war zwar wegen ihres Wandererwissens eigentlich nicht mehr nötig, aber Teri hatte ein ganz besonderes Verhältnis zu den Sternen. Die leuchtenden Punkte der Nordostlinie, das saubere Dreieck des Zirkels, die sanft gekrümmte Lichterreihe des Bogens und wie sie alle hießen, hatten sie auf all ihren Reisen begleitet und waren nur bei Tigan für kurze Zeit vollständig durch andere Sternzeichen ersetzt worden. Die Sterne waren leuchtende Wegzeichen für Teri. Sie gaben selbst in der schlimmsten Einöde Licht und Trost, und wer sie zu lesen verstand, hatte Freunde in ihnen, auf die er sich immer verlassen konnte.
    Heute waren die Sterne so nah, wie Teri es noch nie erlebt hatte! Unglaublich viele leuchtende Punkte in verschiedenen Größen und Farben hingen so dicht über den Gipfeln, dass Teri unwillkürlich die Luft einsog. Unendlich tief drang ihr Blick in die Weiten des Alls ein, und atemlos vor Staunen bekam sie einen vagen Eindruck davon, wie viele Sterne es wirklich gab. Zwischen all den vertrauten Sternbildern waren im Verlauf der Bergwanderung immer wieder mal neue Lichtpunkte aufgetaucht und wieder verschwunden. Jetzt aber waren alle Sterne zu sehen! Teri wurde es schwindlig, so als habe sie sich von der Erde gelöst und stürze in die unendliche Tiefe des Alls hinaus. Für einen Augenblick wurde Teri eins mit dem Universum, erkannte die eigene Winzigkeit und die Sinnlosigkeit der menschlichen Bestrebungen, sich dieses Staubkorn auf dem sie lebten, untertan machen zu wollen. Was dabei herauskam, hatte das Schicksal der Alten ja grausam aufgezeigt. - Was war die Macht über eine Stadt, ein Land, ja sogar über den Kontinent und alle Inseln im Gegensatz zu der allumfassenden Macht dort draußen? Wo war der Plan, der die Menschen dazu brachte, sich zu besinnen und endlich einzusehen, dass ihr Zanken und Streiten kleinlich war, im Angesicht der Unendlichkeit von Zeit und Raum. Wie viele Reiche waren entstanden und vergangen - wieviele Dynastien gegründet

Weitere Kostenlose Bücher