Sturm ueber Thedra
Gitter.
"Ihr seid die Hüterin, nicht wahr?" Sed eb Rea sah Teri an. Sein schief auf den Schultern sitzender Kopf gab ihm dabei den Ausdruck ständigen Überlegens.
Teri trat noch einen Schritt näher an das Gitter heran. - Das war also der Mann, der den Mörder auf ihre Fährte gehetzt hatte! - Kühn erwiderte sie seinen Blick. "Ich bin Teri, Scharfrau von Thedra, Hüterin der Armee!", antwortete sie. "Mehr als fünftausend meiner Kämpfer stehen vor der Stadt. - Ich fordere die Übergabe Thedras in die Hand der Schlafenden Armee!"
Jetzt legte Sed eb Rea wirklich den Kopf schräg und kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. Wie ein grotesk verwachsener, mißtrauischer Riese sah er aus, wie er da auf der anderen Seite des Balkengitters stand und auf Teri herabsah. "Bevor ich Euch die Antwort auf Eure Forderung gebe, habe ich Euch noch etwas mitzuteilen, was nur uns beide angeht!" Er trat nahe an das Gitter heran und beugte sich ein wenig vor. "Ihr wißt vielleicht, dass ich diesen Mann", er wandte sich halb um und wies auf Szin eb Szin, der zwei Schritte hinter ihm stand, "nach Euch ausgesandt habe?", fragte er leise.
Teri trat noch einen Schritt vor, um ihn besser verstehen zu können und nickte, wobei sie Szin scharf im Auge behielt.
"Es tut mir Leid", flüsterte Sed eb Rea und neigte den Kopf in einer Geste der Reue. "Denn jetzt muß ich Euch doch selbst umbringen!", brüllte er plötzlich los, während seine Hand vorschoß, sich um Teris Arm klammerte und sie brutal an das Gitter heranriss.
Teri hing im eisernen Griff des Dramilen hilflos an der starken Sperre. Halb betäubt durch den Aufprall an die bronzebeschlagenen Balken sah sie mit entsetztem Blick, wie Sed eb Rea seinen Dolch aus der Scheide riß. Hinter ihm zogen in diesem Moment auch ihr unheimlicher Verfolger und der Gouverneur ihre Waffen und eilten mit schnellen Schritten heran.
Sed eb Rea hatte Teri fest im Griff. Die Zeit reichte nicht aus, um schnell zu werden, gleich würde sein Dolch sie treffen. Teri wußte, dass sie tot war. Die Freunde hinter ihr schrien auf, aber sie konnten nicht helfen. Noch einmal versuchte sie mit aller Kraft, sich loszureißen.
Plötzlich, im Augenblick höchster Not, sah Teri, wie sich der lederne Harnisch auf Sed eb Reas Brust aufbeulte und die blutige Spitze einer nadelfeinen Waffe daraus hervorbrach. Entsetzt zuckte sie zurück, als der Griff, der sie fest an das Gitter gezogen hatte, nachließ. Die Spitze der Waffe, die Sed eb Reas Brust durchbohrt hatte, drehte sich dicht vor Teris Augen im Körper des Mannes ein Stück weit herum und zog sich dann wieder zurück.
Diesmal gab es keinen Schrei und keinen blutigen Nebel, als Sed eb Rea seinen Mund ein letztes Mal öffnete. Dadurch, dass der Dolch gedreht worden war, konnte die Luft aus der zerfetzten Lunge direkt durch die Wunde entweichen, und kein Atemhauch erreichte mehr die Kehle des sterbenden Mannes. Mit einem erstaunten, ungläubigen Gesichtsausdruck brach er lautlos vor dem Gitter zusammen.
Teri taumelte einen Schritt weit zurück und wurde von ihren Freunden aufgefangen, die an das Gitter gestürzt kamen. Vollständig überrascht sah sie, was auf der anderen Seite des Gitters vor sich ging, denn dort war ein Kampf entbrannt.
Die beiden Bogenschützen, die bei Szin eb Szin gestanden hatten, waren plötzlich ohne ersichtlichen Grund mit ihren Kurzschwertern über ihre verwirrten Kameraden hergefallen. Bevor irgendjemand begriffen hatte, was diese Wahnsinnigen vorhatten, waren schon etliche Dramilen tot oder schwer verwundet und blockierten den Simsweg in voller Breite.
Teri sah den Gouverneur in wilder Flucht über die Leichen hinwegspringen. Dabei stieß er einen Dramilen so heftig beiseite, dass der Unglückliche das Gleichgewicht verlor und mit einem schrillen Angstschrei in die Schlucht stürzte. - Den schaurigsten Anblick allerdings bot Szin eb Szin, der sich neben Sed eb Rea niedergekauert hatte, um seinem Herrn in aller Ruhe den Kopf abzuschneiden und damit seinen Teil des Befehls erfüllte, den Aganez ihm und seinen Begleitern im Wirtshaus von Tregh gegeben hatte. Jetzt, wo der Feind vor der Stadt stand, hatte Szin eb Szin seinem Herrn die Behandlung angedeihen lassen, die eigentlich Teri zugedacht gewesen war.
Die Dramilen bekämpften sich gegenseitig, und der Simsweg war etliche Mannslängen weit frei. Teri gab das Zeichen zum Angriff und erkletterte selbst als eine der ersten das Gitter. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Szin eb
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