Sturm ueber Thedra
Szin von einer Pike und einem Schwert gleichzeitig durchbohrt wurde. Bogenschützen sprangen neben ihr vom Gitter herab und stellten sich auf. Pfeil um Pfeil schossen sie auf die zurückweichenden Dramilen ab. Kräftige Männer schlugen mit Steinäxten auf die Verankerung des Gitters ein, das sich knarrend neigte und schließlich polternd in die Schlucht stürzte. Schwertkämpfer stürmten vor und verfolgten die flüchtenden Besatzer.
Teri war in dem Chaos stehengeblieben und sah auf die Leichen Sed eb Reas und Szin eb Szins herab. Diese Männer waren es gewesen, die vor über zwei Jahren vor ihrer Höhle gestanden und ihren Tod beschlossen hatten. Aber nicht Zorn oder Triumph waren es, die Teri über den Leichen ihrer Todfeinde innehalten ließ. Sie empfand nur eine große Traurigkeit darüber, dass Menschen es wagen durften, andere in Not und Todesgefahr zu bringen, nur weil sie die Pläne der Mächtigen störten. Diese Männer hatten ihr Jahre ihres Lebens gestohlen, wie hatten die Götter Thedras das zulassen können? Wäre es nicht ihre vornehmste Aufgabe gewesen, dieses ganze Blutvergießen zu verhindern?
Teri beugte sich zu Sed eb Rea hinab, dessen halb abgetrennter Kopf einen furchtbaren Anblick bot. Sie wollte ihn berühren, um vielleicht eine Ahnung von der unseligen Kraft, die diesen Menschen angetrieben hatte, zu bekommen. Sacht legte sie ihre Fingerspitzen auf die Stirn des toten Feldherrn und spürte - nichts!
Nichts war da, was diesen Mann im Guten oder im Bösen vor anderen Menschen ausgezeichnet hätte. - Keine Bosheit! - Keine Habgier! - Noch nicht einmal ein besonders starker Hang zur Macht! Dieser Mann war als Herrscher geboren worden, und er hatte geherrscht, ohne auch nur einmal über die Folgen seines Tuns nachdenken zu müssen. Menschen, Schiffe, Städte und ganze Länder waren für ihn nichts als Einsätze in dem großen Spiel gewesen, das auch Aganez hatte spielen wollen. Er hatte die Frauen nicht geliebt und die Männer nicht geachtet. Er hatte für die Lust des Augenblicks gelebt, ohne das Ganze zu sehen - ohne es überhaupt sehen zu wollen. - Der Bezwinger Thedras war ein großer Feldherr gewesen - und er war zugleich sein ganzes Leben lang ein egoistisches Kind geblieben. – Er hatte ein armseliges Leben gehabt!
Ununterbrochen drängte der Strom der Befreier sich an Teri vorbei über den Simsweg. Der Lärm war ohrenbetäubend und doch ließ ein leises Geräusch, als schabe Stoff über Stoff, sie aufmerken. Mißtrauisch schaute Teri auf den unheimlichen Dramilen, dessen Namen sie immer noch nicht kannte und der über der Leiche seines Herrn zusammengebrochen war.
Plötzlich zuckten die Finger des Mannes, schlossen sich fest um den Griff des blutigen Dolches und Teri sah voller Entsetzen, wie der Mund des Dramilen sich öffnete und einen unartikulierten, gellenden Schrei ausstieß. Eine blutige Klaue schoß vor und schloß sich mit eisernem Griff um Teris Handgelenk.
Voller Panik, unfähig aufzuspringen, kauerte Teri da, und es war für sie, als werde ihr das Herz herausgerissen. Die Berührung dieses Mannes war schlimmer als der Tod. Wie gelähmt von der Grausamkeit und Mordlust, die wie eine Woge über ihr zusammenschlugen, krallte Teri sich mit aller Kraft im Wams des toten Sed eb Rea fest und starrte in die weit aufgerissenen Augen Szin eb Szins, der brüllend emporgeschnellt war und den Dolch mit letzter Kraft hochriss, um ihn auf seine Todfeindin niedersausen zu lassen.
Wild aufheulend schrie Szin seinen Haß heraus, als plötzlich ein wirbelnder Schatten hinter ihm auftauchte. Der Kopf des Dramilen wurde zur Seite geschleudert und die Hand mit dem Dolch fiel kraftlos nieder, ohne Teri zu berühren. Der Schrei steigerte sich bis zu einem schrillen Kreischen und brach dann ab. Szin eb Szin kippte mit verdrehten Augen zur Seite, schlug hart auf den Fels und blieb endlich ruhig liegen. Noch im Tode hielt er Teris Handgelenk umklammert, bis sich der Griff seiner Finger doch allmählich lockerte und die Hand kraftlos wurde.
Lange Augenblicke blieb Teri noch bei der Leiche Sed eb Reas sitzen, die Finger wollten sich einfach nicht von dem Stoff lösen, in den sie sich geklammert hatten. Ohne recht zu begreifen was sie sah, starrte Teri auf Lkeide, die dastand und verwundert auf den bronzenen Griff schaute, der aus ihrer Hand ragte. Die Klinge ihres Dolches war abgebrochen, als Lkeide die Waffe in Szins Kopf getrieben hatte. Sie stand jetzt wie ein bronzener Hahnenkamm in der Mitte
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