Sturm ueber Thedra
sie Llauk sonst das Lied der Angst gesungen, oder das des Sterbens.
Leise, einer nach dem anderen, hatten die Weber ihre Arbeit wieder aufgenommen. Durch die dünne Bretterwand drang das gleichmäßige Klappern der Webstühle.
Llauk hörte nichts davon. In tiefen Schlaf gesunken lag er auf den Stoffballen, von denen er nicht einen einzigen selbst gefertigt hatte, und schlief. Er hörte nicht die ständigen Arbeitsgeräusche der Sklaven, die für seinen Vater arbeiteten. Llauk schlief tief und traumlos.
Ab und zu waren einige leise gemurmelte Sätze aus der Werkstatt zu hören. Llauk bekam nicht mit, dass die Sklaven sich ein wenig bei der Arbeit unterhielten, `schwatzten', wie er es genannt hätte. Llauk schlief.
Über den vereinzelten Worten der Sklaven erhob sich ganz allmählich, ganz sacht, eine dunkle Stimme, die eine fremdländisch anmutende Melodie summte. Die Gespräche der Arbeiter verstummten, und bald füllte die leise Stimme den Werkstattraum völlig aus.
Hinter der Bretterwand, in Llauks Versteck, konnte man die Worte, die Ngawe sang eher erahnen als verstehen, zudem sang sie in ihrer Heimatsprache. Sie sang von einem König, einem sehr überheblichen König. Llauk bewegte sich im Schlaf. Der schlafende Mensch öffnet Pforten seines Geistes, von denen derselbe Mensch in wachem Zustand gar nichts weiß.
Sanft, unmerklich schlich sich der Zauber der Kraan an Llauk heran, drang in sein Ohr - und machte ihm Träume.
Llauk fand sich in einem Thronsaal wieder. Dass es ein Thronsaal war, wußte Llauk, auch wenn der Raum bis unter die Decke mit Stoffballen vollgestopft war. In der Mitte des riesigen Raumes standen Dutzende, nein Hunderte von Webstühlen, an denen nackte Menschen arbeiteten.
Llauk, der König der Stoffmacher, schritt stolz durch die Reihen. Leiser, fremdartiger Gesang wehte von irgendwoher durch den Raum. Angenehm klangen die Laute in Llauks Ohr, wenn er auch die Worte nicht verstand. - Eine Lobpreisung!
Jetzt fingen auch die Sklaven an den Webstühlen leise an mitzusingen. Llauk meinte seinen Namen herauszuhören. Ja, die Sklaven liebten ihren strengen Herrn. Sie liebten ihn so sehr, dass sie ihm zu Ehren eine Hymne sangen.
Weiter und weiter schritt Llauk durch die Reihen. - Doch was war das? - Leere Webstühle! Ganze Reihen leerer Webstühle! "Mehr Sklaven!", forderte Llauk.
Plötzlich belebten sich die Bänke mit Getier aller Art, das fleißig und folgsam für Llauk zu arbeiten begann. Zufrieden ging Llauk weiter, doch schon nach ein paar Schritten stand er wieder vor leeren Bänken.
"Mehr Sklaven!", forderte Llauk, und nun begannen die Bäume des Waldes für ihn zu weben.
So ging es immer weiter, aber Llauk war nicht zufriedenzustellen. Immer mehr Sklaven forderte er, bis er am Ende die Flüsse und Berge, den Himmel und das Land und sogar die Sonne und den Mond unter seine Fron genommen hatte.
Süß und einschmeichelnd klangen die fremden Worte der Hymne. Sie forderten ihn auf, das Letzte zu wagen. - Und Llauk zögerte nicht. Die letzte Reihe leerer Webstühle mußte besetzt werden. Llauk war der König! Alle sollten für ihn arbeiten - sogar die Götter.
"Mehr Sklaven!" Llauk war glücklich. Mehr konnte ein Mensch nicht fordern. "Mehr Sklaven! Mehr Sklaven!"
Aber die Götter erschienen nicht. Llauk wurde ungehalten. Auch die Musik der Hymne klang nicht mehr so süß in seinen Ohren. Etwas Zögerndes, Widerstrebendes ging davon aus. Llauk bekam Angst. Vielleicht war es doch zu vermessen gewesen, die Götter selbst in die Knechtschaft zwingen zu wollen?
"Genug!", rief Llauk und drehte sich von den leeren Webstühlen weg. Was er sah, ließ seinen Schritt stocken.
Keiner seiner Sklaven arbeitete mehr. Alle hatten ihre Webstühle verlassen und warteten auf ihn. Haßerfüllte Augen starrten ihn an, aus tausenden von Kehlen ertönte die Hymne, jetzt verzerrt zu einem ewigen Schrei des Hasses und der Verachtung.
"Genug!" Llauk wollte keine weiteren Sklaven mehr, auch keine Macht. Llauk wollte nur noch fort von diesem unheimlichen Ort, wo die Sklaven dem König der Stoffmacher trotzten.
"Fort!" Aber die Sklaven gingen nicht fort. Als hätten sie nur auf seine Worte gewartet, stürzten sie sich auf Llauk und schleppten ihn in ihrer Mitte zu einem der Webstühle.
Plötzlich sah Llauk schwere Metallreifen an seinen Armen und Beinen. Die Sklaven hatten ihn an den Webstuhl gekettet.
Llauk mußte weben. Im Rhythmus der verhaßten Melodie, deren unverständliche Worte ihn demütigten
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