Sturm
nicht stören, wenn wir ein wenig Holz aufsammeln«, sagte Daneel. Der prall gefüllte Umhang rutschte von seiner Schulter. »Ich entschuldige mich für diesen Irrtum. Wir werden …«
Der Wirt unterbrach ihn. Seine Stimme zitterte vor Wut. »Der Hund ist tot.«
»Was?«, fragte Ezza. Das Auge an ihrem Kinn blinzelte.
»Der Hund ist tot«, sagte der Wirt. »Man hat uns vor so was gewarnt.«
»Wer hat euch gewarnt?« Daneel ging ihm einen Schritt entgegen. Der Wirt senkte seinen Speer, bis die Spitze auf Daneels Brust zeigte. »Die Männer«, sagte er. »Die Männer, die durch das Land reiten und anständige Leute vor so was wie euch warnen. Auf tote Hunde sollen wir achten, wenn Fremde in der Nähe sind, haben sie gesagt. Hunde können riechen, wenn einer kein Mensch ist, also bringen sie sie um.«
Daneel lachte plötzlich. »Ihr denkt, wir seien Nachtschatten, weil ihr einen toten Hund gefunden habt?«
»Der Hund war uralt«, sagte Ana. Sie sah an Jonans Schulter vorbei. Die Männer aus dem Dorf blockierten den Weg.
Der Wirt schüttelte den Kopf. »Es ging ihm gut, bevor ihr kamt, und jetzt ist er tot.«
»Und wieso bist du nicht mehr betrunken?« Der Mann mit dem einen Zahn drängte sich an dem Wirt vorbei. Mit der Mistgabel zeigte er auf Daneel. »Eben konntest du nicht mehr gerade stehen, oder war das nur gespielt? Wolltet ihr, dass wir uns alle besaufen, damit ihr uns im Schlaf umbringen könnt?«
»Wir wollen niemanden umbringen, meine Freunde.« Daneel breitete die Arme aus, als stünde er auf einer Bühne. »Und wenn ihr genau darüber nachdenkt, werdet ihr merken, dass ihr auch niemanden umbringen wollt. Das …«
Ana sah nicht, wer den Stein warf, der Daneel am Kopf traf. Sie sah nur, wie er zusammenbrach, die Hände vor das Gesicht gepresst. Er stöhnte.
»Runter«, sagte Jonan ruhig. Ana ließ sich auf Hände und Knie fallen, versuchte im Schatten der Bäume zu bleiben, weg von dem weißen, alles enthüllenden Mondlicht. Die Feuchtigkeit des Laubs drang durch ihre Kleidung.
»Wir haben unsere Brüder und Schwestern gegessen in diesem harten Winter«, hörte sie den Mann mit dem einen Zahn sagen. »Was machen da schon ein paar Fremde. Wir werden sehen, ob es stimmt, dass ihr euer Fell innen tragt.«
Ezza schrie. Dreck und Laub spritzten Ana ins Gesicht, als Jonan sich vom Boden abstieß. Sie hob den Kopf, sah, wie er die Mistgabel des einzahnigen Mannes mit einem Schlag seines Schwertes zur Seite wischte, bevor sie Daneel treffen konnte. Seine zweite Klinge bohrte sich in den Oberschenkel des Wirts. Der Mann brach schreiend zusammen. Blut spritzte im Rhythmus seines Herzschlags aus der Wunde, als Jonan sein Schwert herauszog.
»Er ist schon tot«, sagte Qaru. Ana zuckte zusammen. Sie hatte nicht bemerkt, dass er sich neben sie gehockt hatte. Mit beiden Händen presste er die Pergamente an seine Brust. Ezza stand ein Stück entfernt von ihnen zwischen den Bäumen und schrie den Männern Beleidigungen entgegen. Niemand beachtete sie. Die Dörfler konzentrierten sich auf Jonan, ganz so, wie er wohl gehofft hatte.
Sie beobachtete ihn, die Geschmeidigkeit seiner Bewegungen, die Eleganz, mit der er den unbeholfenen, langsamen Angriffen auswich. Es war, als gäbe es zwei Welten vor Ana in der Waldschneise, eine, in der die Luft schwer war und die Füße sich nur mühsam vom Boden lösten, und eine, in der ein Mensch leicht und schnell wie ein Falke war.
»Er muss sein ganzes Leben lang nichts anderes getan haben«, sagte Qaru über die Schreie des Wirts hinweg. »Er tut mir leid.«
Ana verstand nicht, was er damit meinte. Vor ihr ging ein zweiter Mann zu Boden. Es war der Bauer, der sie angestarrt hatte. Er schrie nicht, kroch nur mit verzerrtem Gesicht auf den Weg zu. Sein Hemd klebte nass und dunkel an seinem Rücken.
Er will Hilfe holen, dachte sie. Ihre Hand tastete nach einem der Holzscheite, die ihr heruntergefallen waren. Wie viele Menschen mochte es wohl in diesem Dorf geben, wie viele Frauen, die auf die Rückkehr ihrer Männer warteten, wie viele Männer, die zu feige oder zu klug gewesen waren, um mitzugehen?
Ana sah sich um. Jonan bemerkte nicht, was hinter ihm geschah. Daneel lag benommen am Boden, Ezza saß neben ihm und wischte mit dem Saum ihres Umhangs Blut aus seinem Gesicht. Sie hatte aufgehört zu schreien.
»Was tust du da?«, fragte Qaru, als Ana aufstand. Sie schüttelte den Kopf.
Geduckt lief sie am Waldrand entlang auf den Weg zu. Der Bauer hatte ihn fast erreicht.
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