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Sturm

Sturm

Titel: Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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»Ihr habt genug gehört für eine Nacht«, sagte sie. Das Auge an ihrem Kinn war geschlossen.
    »Aber wenn ihr möchtet, werden wir morgen wiederkommen.« Daneel stand auf. Er hatte so viel getrunken, dass man ihn kaum verstehen konnte. Einige Dorfbewohner lachten.
    »Verträgst wohl nichts, was?«, rief ein junger Mann und hob seinen Bierkrug.
    Daneel schien antworten zu wollen, winkte dann aber nur ab. »Morgen, mein Freund, morgen.«
    Er verneigte sich und ging unsicher an den Holzbänken vorbei. Jonan ergriff seinen Ellenbogen. »Ich werde dir helfen«, sagte er.
    »Das brauchst du nicht«, antwortete Daneel, aber Ana sah, dass er sich auf Jonan stützte. Sie nickte den Dorfbewohnern zu. »Danke für eure Gastfreundschaft. Wir haben eure Gesellschaft sehr genossen.«
    Ihr Blick fiel auf den alten Hund, der immer noch unter einem der Tische lag. Er hatte sich den ganzen Abend nicht bewegt.
    »Gebt ihr morgen eine Vorstellung?«, fragte die junge Frau mit dem Säugling.
    Ana nickte. »Wir haben euch noch viel zu zeigen.«
    »Auch Kunststücke?«
    »Ja, viele Kunststücke.«
    Die Frau lächelte. »Das ist schön.«
    Jonan und Qaru stützten Daneel auf beiden Seiten. Er lallte, fiel fast über seine eigenen Füße und stimmte immer wieder ein Lied an, das Ana nicht kannte. Das Gelächter der Dorfbewohner folgte ihnen über den Platz an den einzeln stehenden Häusern vorbei bis zum Waldrand.
    Zwischen den Bäumen blieb Daneel stehen.
    »Musst du kotzen?«, fragte Ezza.
    »Nein.« Er schüttelte den Kopf und richtete sich auf. Jonan und Qaru traten überrascht zur Seite. Daneel wirkte so nüchtern, als habe er keinen einzigen Krug Bier angerührt. Er grinste. »Menschen fühlen sich anderen gern überlegen, vor allem, wenn sie in nichts überlegen sind. Sie werden noch lange über den Fremden reden, den sie unter den Tisch getrunken haben.«
    »Du bist ein weiser Mann«, sagte Qaru.
    Ana dachte an die vielen Krüge, die er hochgehoben und geleert hatte. »Wieso bist du nicht betrunken?«, fragte sie. »Ich habe dich doch trinken sehen.«
    »Wenn du meinst.« Er zeigte auf die Waldschneise, in der jemand Brennholz gestapelt hatte. »Wir nehmen so viel davon mit, wie wir tragen können. Ein bisschen Holz wird niemand vermissen.«
    »Du willst von Menschen stehlen, die uns willkommen geheißen haben?«, fragte Jonan.
    »Warum nicht?« Daneel hatte bereits begonnen, Holzscheite zu sammeln. Jetzt sah er auf. »Dann muss keiner von uns nach Brennholz suchen. Wir wollen doch so schnell wie möglich den Großen Fluss erreichen, nicht wahr?«
    Jonan hielt seinen Blick einen Moment lang. Ana wartete darauf, dass er widersprach, aber er schwieg. Daneel wandte sich ab. Er wirkte zufrieden.
    Wie macht er das?, dachte sie. Wie bringt er uns dazu, bei etwas zuzustimmen, das wir eigentlich gar nicht wollen?
    Daneel hob den Kopf. »Willst du uns nicht helfen, Ana?«
    »Natürlich«, sagte sie, auch wenn sie sich fragte, ob sie das wirklich wollte.
    Neben ihr begann auch Ezza Holz zu sammeln. Nur Qaru blieb stehen, die Pergamente unter einen Arm geklemmt, den Kopf schräg gelegt.
    »Was ist das für ein Geräusch?«, fragte er.
    Ana lauschte in das Halbdunkel hinein. Die Zwillingsmonde warfen gekreuzte Schatten, verliehen den Bäumen das Aussehen von gewaltigen schwarzen Spinnen. Etwas summte und murmelte im Rauschen des Windes.
    »Hören wir die Gespräche aus der Taverne?«, fragte Ezza.
    »Nein.« Jonans Hände lagen auf den Griffen seiner Schwerter. »Das sind keine Gespräche. Das ist ein Gebet.« Jetzt, wo er es ausgesprochen hatte, hörte Ana ebenfalls den gleich bleibenden, monotonen Rhythmus der Worte.
    »Vielleicht beten die Menschen hier gemeinsam, bevor sie schlafen gehen«, sagte sie. Niemand ging darauf ein.
    »Es kommt näher«, sagte Qaru.
    Daneel raffte den Umhang mit Brennholz zusammen und warf ihn sich über die Schulter. »Zurück zum Lager. Sofort.«
    Ana ließ das Holz, das sie gesammelt hatte, fallen. Äste knackten vor ihr im Wald, Laub raschelte. Auf dem Weg tauchten Menschen auf. Sie zählte sechs, acht, dann zehn Männer. Sie erkannte den Wirt wieder, den Mann mit dem einen Zahn, einen Bauern, der sie den ganzen Abend angestarrt hatte, und die jungen Männer vom Nebentisch, Speere und Mistgabeln ragten zwischen ihnen auf. Die Klinge eines Messers blitzte im Mondlicht.
    Jonan stellte sich vor Ana und nahm ihr die Sicht auf die Gruppe. »Leg dich auf den Boden, wenn ich es sage.«
    »Wir dachten, es würde euch

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