Sturmauge
Harys, während sie tief knickste und zu den Neuankömmlingen aufsah, als blinzele sie in die Sonne. »Mein Herr.«
»Wir wollten unsere Anwesenheit in der Stadt nicht bekanntmachen«, antwortete Zhia. Sie fügte aber nicht hinzu, dass sie Harys Unterhaltungen bereits seit einer Stunde gelauscht hatten und so nicht nur die Geschäfte des Bordells abschätzen, sondern
auch sicherstellen konnten, dass die Frau ihnen treu ergeben war.
»Soll ich Wein in das obere Zimmer bringen lassen?«, fragte Harys.
»Und Essen.«
Harys zögerte, dann sagte sie: »Ich habe ein neues Mädchen …«
»Ach, sei doch keine Närrin, Frau«, zischte Zhia ungeduldig. »Richtiges Essen. Eine Mahlzeit, die zu dem Wein passt. Ich habe vor, beim Abendessen ein Gespräch zu führen. Und jetzt steh auf und kümmere dich bitte darum.«
»Natürlich, edle Dame«, sagte Harys eilig und zog sich zur Tür zurück. Sie blieb stehen und sah sich noch einmal um. »Mhh, edle Dame … soll ich auch Diril schicken?«
»Diril Halbmast? Ihr Götter, nein. Sie wird mir den Appetit verderben. Schickt sie eine halbe Stunde nach dem Essen nach oben.«
Harys knickste erneut und verschwand.
»Edle Dame?«, fragte Koezh leise aus dem Schatten heraus. »Ist sie etwa eine Gefolgsfrau des Weißen Zirkels?«
»Nein, sie ist mir nur ergeben«, versicherte ihm Zhia.
»Und Diril Halbmast?«
Zhia erschauderte leicht. »Eine weitere meiner Handlangerinnen und zugleich die erfolgloseste Hure der Welt. Bitte erinnere mich nicht an sie, während wir essen.«
Koezh lachte leise und bedeutete Zhia vorzugehen. »Ist es nicht die Pflicht älterer Brüder, ihre Schwestern zu ärgern?«
Zhia antwortete nicht, während sie in das große Foyer voranging. Koezh bemerkte, dass sie am Saum ihres Umhanges zupfte, tat es ihr nach und sprach dabei den Zauber, der Blicke abhielt. Auf einer Seite stand ein verzierter Tresen und in der Mitte des Raumes befanden sich mehrere Männer, vorrangig Kleriker und
junge Händler, die an kleinen Tischen saßen und tranken. Hier fand man keine Frauen, denn dies war eher eine Schenke als der Warteraum eines Bordells.
Eine Treppe zur Linken führte offensichtlich zu den Schlafzimmern. Ein großer, kahler, in dunkle Seide gekleideter Mann saß am Tisch daneben, so dass er den ganzen Raum überblicken konnte. Er war dick, aber doch nicht so fett, dass er langsam erschien oder man hätte denken können, er wäre auf den Knüppel angewiesen, der an seinem Stuhl lehnte. Das breite Grinsen auf dem runden, rosigen Gesicht erinnerte Koezh an jene Fratze, die man häufig in Kürbisse schnitt.
Zhia führte ihn durch eine abgesetzte Tür neben dem Tresen zu einer kleineren Treppe. Sie erstiegen zwei Absätze, bis sie einen niedrigen Raum unter dem Dach des Hauses erreichten, wo Hary eifrig dabei war, die großen Fenster zu verschließen, die sich auf drei Seiten in den Wänden befanden.
»Das Licht tut mir leid«, sagte sie, als sie eintraten. »Ich esse normalerweise hier oben, um dem Sonnenuntergang zuzusehen.«
»Es stört uns nicht«, sagte Zhia und fügte lächelnd hinzu: »Genieß den Sonnenuntergang, solange du es noch kannst.«
Deutliche Genugtuung zeigte sich auf Harys Gesicht. Ah, eine von denen , dachte Koezh. »Du hast es stets genossen, angebetet zu werden«, sagte er in ihrer Sprache zu seiner Schwester.
Unsicherheit erschien in Harys Zügen, aber sie verschwand, während Zhia auf eine Weise reagierte, als habe er ihr einen Witz erzählt.
»Koezh, du bist stets zu ungeduldig mit den Leuten, das warst du schon als Junge. Nur weil ich kein Verständnis dafür habe, dass sie unseren Fluch ebenfalls erleiden will, heißt das noch nicht, dass sie nicht doch nützlich sein kann.«
»Und was nützt es, Puffmütter im Griff zu haben?«
»Sie ist ein hervorragender Kontakt und die beste Informationsquelle in dieser Stadt«, sagte Zhia, legte ihren Umhang ab und ließ sich mit übertriebener Eleganz auf einen Stuhl sinken. Darunter trug sie die gleiche einfache Reisekleidung wie ihr Bruder, wobei ein langer Rock ihre Kniehosen bedeckte, um die herrschenden Sitten einzuhalten. »Die Litse lieben ihre Huren«, setzte sie hinzu. »Und du weißt, wie indiskret sie sein können.«
Er setzte sich zu ihr an den schmalen Tisch aus Mahagoni, der so dunkel schien, dass es beinahe schon wie schwarz wirkte.
»Wie nannte dich Valije Nostil noch, als sie erfuhr, dass du Aryn Bwrs Geliebte warst? Hure der Dämmerung. Auch du warst nicht immer allzu
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