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Sturmauge

Sturmauge

Titel: Sturmauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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wunderbaren Vorstellung? War das der Tag, an dem ich in meinem Vater etwas anderes erkannte als einen über die Welt erhabenen Diener der Götter? Wo ich einst die Priesterrobe und die Halbmaske aus Obsidiansplittern gesehen habe, befand sich jetzt nur noch ein müder Mann mit lichtem Haar und einem durchdringend pfeifenden Atem, wenn er schlief.
    »He! He, du!«
    Venn blieb stehen. Er drehte sich nicht um, denn er wusste, dass der Sprecher in sein Blickfeld treten würde. Er stellte sich als ein Priester mit rundem Gesicht heraus, der Brennholz in den Armen trug. Venn hörte Dohle scharf einatmen. Er war unsichtbar
und beinahe körperlos, zumindest so lange, wie er in Venns Windschatten stand. Und doch blieb Dohle ein Feigling.
    Venn erkannte den Priester trotz des glatten, schwarzen Porzellans, das sein halbes Gesicht bedeckte. Er war etwa in seinem Alter und entstammte auch dem gleichen Clan, so dass sie in der Kindheit zwangsläufig so etwas wie Freunde gewesen waren. Corerr lautete sein Name, ein törichter, fetter kleiner Junge, der dann zu einem verwirrten jungen Priester herangewachsen war, dabei seinen Welpenspeck aber nie verloren hatte. Er wurde noch immer in den Wald geschickt, um Holz für die Feuer in der Höhle zu sammeln, obwohl es sicher jüngere Priester gab, die diese mühselige Arbeit erledigen könnten.
    »Wer bist du? Was willst du hier?«, rief Corerr, während er zwischen Venn und den Höhleneingang trat. Im schwachen Licht der Becken am Eingang war bereits ein Gesicht aufgetaucht, mit faltigen Wangen und dünnem, strähnigem Haar. Corerr trat einen weiteren Schritt vor und spähte nervös in den Schatten von Venns schneebedeckter Kapuze. Im Zwielicht darunter würde er erkennen können, dass Venn keine Maske trug, aber eine einzelne blutrote Träne aus seinem rechten Auge rollte, so wie sie auch auf den Harlekin-Masken zu finden war.
    Venn behielt den Höhleneingang im Auge, denn er wusste, dass Corerr zu mehr als Blicken der Mut fehlte. Schließlich erschien ein weiteres Gesicht, diesmal das einer Frau. Sie überragte die erste Gestalt beinahe um einen Kopf. Ihr Mund bewegte sich. Sie sprach leise mit ihrem Gefährten und behielt Venn dabei stets im Auge, der dies zum Anlass nahm, sich plötzlich wieder in Bewegung zu setzen, was Corerr einen erschrockenen Schrei entlockte und ihn beinahe hintenüberfallen ließ. Während sich Venn dem Eingang näherte, erinnerte er sich an die Frau, deren Augen wie polierter Rauchquarz aussahen. Sogar nach so langen Jahren noch gab sie sich wie eine Kriegerkönigin.

    »Venn ab Teier? Gnädige Götter, bist du es wirklich?«, plapperte Corerr erschrocken los und rappelte sich auf, um neben ihm herzugehen. »Dein Gesicht, deine Kleidung … wo bist du gewesen? Was ist mit dir geschehen?«
    Venn ging weiter und achtete darauf, die Worte des Mannes mit keiner Regung zu belohnen. Die anderen Priester hatten sich weder bewegt noch etwas gesagt. Der Mann war halb hinter einem Kohlebecken verborgen, als mache er sich bereit, dahinter in Deckung zu gehen. Die Priesterin stand mit vor der Brust gefalteten Händen da, folgte unwillkürlich den frommen Vorgaben, die sie Jahrzehnte zuvor erlernt hatte. Ihr Haar zeigte erste graue Strähnen und in ihren Augenwinkeln fanden sich Krähenfüße, trotzdem wirkte sie wie eine jüngere Frau, deren Herz von der Wildnis ringsum nicht gebrochen worden war.
    Ihre Halbmaske war mit Obsidian-Splittern bedeckt, so wie die seines Vaters damals, mit dem bedeutenden Unterschied allerdings, dass bei ihrer die Tränenspuren aus Mondstein fehlten, die von hohem Rang zeugten. Er hielt den Atem an und sah ihr gezielt in das rechte Auge, wobei er den glasigen Blick für eine Weile fallen ließ. Er bemerkte ihre Reaktion, die allerdings so unauffällig ausfiel, dass sie vermutlich selbst nichts davon bemerkt hatte – nur jemand, der darauf achtete, würde das Flackern in den Augen erkannt haben. Aber für einen Anhänger Azears reichte es aus.
    Ehrgeiz an einem solchen Ort … du musst sie so sehr hassen, wie ich es tue.
    Nach einem Augenblick trat die Priesterin beiseite und machte Venn den Weg in die Höhle frei. Er ging langsam hinein, die Augen starrten ins Leere, während er über die Symbole und Gebete hinwegsah, die auf die groben Steinwände zu beiden Seiten des Durchgangs gemalt waren, und den Abstieg begann. Wieder atmete er die weihrauchgeschwängerte Luft seiner Kindheit ein.

    Schweigend ging er weiter, fühlte sich, als

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