Sturmauge
zog Eolis und spürte das Aufwallen der Energie des eingelassenen Kristallschädels die Klinge entlangtanzen. Vor ihm bäumte sich der Körper der Leibwache ein weiteres Mal heftig auf. Der Tote riss die Arme in unnatürlichem Winkel hoch. Isak wich einen Schritt zurück. Neben ihm ertönte ein Kriegsschrei und eine seiner Wachen schleuderte seine Glefe auf den Toten …
… der sie einfach aus der Luft fing. Der Aschegeschmack in Isaks Mund wurde stärker, und er bemerkte den gewaltigen Anstieg der Magie um den Leichnam herum.
Der Tote öffnete die Hand weit, und die Glefe fiel zu Boden. Seine Hände und Arme verbogen sich ekelerregend und platzten wie überreife Früchte auf, als sich graue Gliedmaßen durch die Haut gruben. Aus jedem Arm platzte ein kantiges, chitinbedecktes Glied hervor, das binnen Augenblicken auf Mannsgröße anwuchs. Lange Stacheln an ihrem Ende bohrten sich in den Boden, und zu diesem Zeitpunkt brachen die Beine auf ebensolche Weise auf. Die seltsamen, stacheligen Fortsätze wurden zwischen die Kopfsteine gerammt, als suchten sie nach einem sicheren Stand. Langsam streckten sie sich und hoben den Torso dabei an, der ebenfalls grausig anschwoll.
Schreie erklangen aus der Menge, untermalt von den Rufen Jachens und der Schwertmeister.
Vesna lief mit erhobenem Schwert los, aber da wurde eines der
Glieder angehoben und stocherte suchend in der Luft. Der Graf musste erkennen, dass er daran nicht vorbeikäme, also wich er an Isaks Seite zurück.
»Mein Lord«, rief er, die Augen fest auf die Kreatur gerichtet. »Wir müssen dich von diesem Dämonen fortschaffen.«
Isak war wie versteinert und starrte das Ding, in das sich die Leibwache verwandelt hatte, in schrecklicher Faszination an. »Und das da – was es auch sein mag – sollen wir einfach wüten lassen?«, gab er zurück. »Mach dich nicht lächerlich!«
»Das ist eine Falle«, rief Vesna, aber dann wurde er von einem wütenden Kreischen unterbrochen, das die Luft erfüllte. Es klang wie die Stimmen Tausender verärgerter Insekten.
Der Leichnam wand sich heftig, und ein Kopf mit einem langen Schnabel brach in einem Blutschauer daraus hervor, gefolgt von einem massigen, verbeulten Körper, der mit öligem Blut bedeckt war. An der Stelle, an der man die Schultern vermuten würde, hingen zwei Glieder mit unzähligen Gelenken herab, die so lang waren, dass die Klauen fast über den Boden schleiften.
Der Dämon sah sich kurz um, dann bückte er sich etwas, um die fallen gelassene Glefe aufzuheben. In seinen Händen wirkte die Waffe wie ein Spielzeug, vor allem im Vergleich zu den speerartigen Spitzen seiner Beine, die länger schienen, als Isak groß war. Der grausige Schnabel öffnete sich und offenbarte lange, dünne, messerscharfe Zähne. Hinter dem Schnabel war ein Dutzend quergeschlitzter Augen wild auf dem Kopf voller grauer Stacheln verteilt.
Plötzlich hörten die Augen auf, auf ihrer Suche in unterschiedliche Richtungen zu weisen und blickten schlagartig auf ihn. Der Dämon spannte sich, und der Kopf zuckte vor, als wolle er herausfinden, um was es sich bei Isak handelte.
Er kann meine Macht sehen , erkannte Isak , und jetzt weiß er nicht, was er tun soll. Aber ich weiß es.
Er griff auf den Kristallschädel zu und hob Eolis. Vesna schrie auf und taumelte beiseite, als Isaks Körper von weißen Flammen umlodert wurde. Er hatte Tilas Drängen nachgegeben und vorsichtshalber zum Schutz gegen Meuchler den Brustpanzer Siulents, seiner magischen Rüstung, angelegt – aber ihm war schmerzlich bewusst, dass der Rest seines Körpers nur von Leinen und Seide bedeckt war.
Sorg dafür, dass er zögert , dachte er in Erinnerung an Carels Unterweisung, und steigerte den Zustrom der Energie.
Der Dämon antwortete mit einem durchdringenden Schrei. Er schob ein Bein vor, als wolle er einen Schritt nach vorne machen, und Isak wand die tosenden magischen Blitze um Eolis Klinge herum, um die Waffe dann zu heben. Aryn Bwr rief in seinem Hinterkopf eine Warnung, und im nächsten Augenblick spürte er zu beiden Seiten eine Präsenz, zwei Schatten im Lichtersturm, und die Magie, die durch ihn hindurchströmte, verebbte. Während die Schatten vorstürmten, blieb Isak vor Schreck stehen und blickte ungläubig auf das Geschehen. Seine Gedanken waren ebenso erstarrt wie sein Körper, aber dies währte nur einen Augenblick. Dann war er wieder im Jetzt und Hier.
Die Schnitter!
Er sah nur ihren Rücken, aber er erkannte sie auf den ersten Blick:
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