Sturmauge
zerstreut, einige auf der Jagd nach feindlichen Spitzeln, andere nach Azaers Schergen. Doranei hatte sich dem Hauptteil der Farlan-Armee angeschlossen und dort, während er sich um eine Eskorte für seinen König kümmerte, den Novizen getroffen, der Abt Doren nach Scree begleitet hatte. Der junge Novize mit Namen Mayel hatte ihm schließlich alles über das Inselkloster erzählt, das Vellern, dem Gott der Vögel, geweiht war, und auch über Dohle, den Schüler Azaers, der sie bis nach Scree verfolgt hatte.
»Der König hat es vermutet«, sagte Doranei, und Sebe nickte. »Hat drüber nachgedacht und ist zu dem Schluss gekommen, dass wir den Schädel zu leicht gekriegt haben. Der Scheißbarde hätte ihn nehmen können, aber er hat es nicht mal versucht. Mayel sagte mir, dass sie neben dem Schädel noch andere magische Gegenstände mitgebracht haben. Ein Buch zum Beispiel, mit Initialen auf dem Deckel – zwei V. Ich habe die Mönche dazu bekommen, dass sie mir ihr Tagesverzeichnis zeigten. Darin stand, dass ein Farlan-Ritter den Schädel gebracht hatte, aber sie hatten bereits ein dunkles Geheimnis.«
»Zwei V? Das könnte doch Zufall sein.«
Doranei schnaubte und stürzte sich erneut auf den Branntwein. »Könnte. Ist aber verdammt noch mal keiner. Das Kloster ist alt, aber die Mönche waren nicht die ersten dort. Sie fanden Ruinen, die Ilit geweiht waren, und ein Tagesverzeichnis bei dem Tagebuch – sie haben sich in die Hosen geschissen, als sie es übersetzten: Mitten in der Nacht kam ein Mann und sagte den Mönchen Ilits, sie sollten ein Buch für ihn verstecken.«
»Lass mich raten«, sagte Sebe. »Das wäre dann wohl ein Mann mit Augen wie Saphiren?« Er griff nach dem Branntwein und trank direkt aus der Flasche.
»Verdammte Saphire. Dieser Scheißbarde gab uns den Schädel und nahm dafür ein Buch, das Vorizh Vukotic gehörte, diesem irren blutsaugenden Scheißkerl. Und jetzt rate mal, wer seine Schwester fragen soll, was drinsteht?«
»Was drinsteht?«, wiederholte Sebe. »Was es wert ist, dafür den Schädel der Herrschaft zu opfern? Die Antwort auf diese Frage wird uns sicher nicht gefallen, oder? Und es könnte Zhia stören, dass wir in ihren Familienangelegenheiten herumstöbern.«
»Mehr Branntwein, Weib!«
7
Obwohl er von zwei Einheiten seiner Leibwache flankiert wurde, zog Isak doch auf dem Weg zu dem großen, verzierten Tor den Kopf ein. Der Tempel des Rechts war um eine gewaltige Halle herum errichtet worden, die sich beinahe mit den Sälen aus Isaks Träumen messen konnte, nur dass dieser hier voller Leben war. Licht flutete durch längs unterteilte, gelbweiße Glasfenster, die zwei Stockwerke hoch aufragten.
Drei schwere Türen, wie das Haupttor des Saals spitz zulaufend, aber ohne den fein gearbeiteten Eisenschmuck, führten zur Linken zu den Gerichtssälen, während rechts lauter kleine Türen und Korridore abgingen, die in den hasenbauartigen Bürotrakt führten. Immer wieder spähte jemand vorsichtig zu diesen Türen hinaus oder sah von der Haupttreppe herüber, und sogar das laute Klirren der Rüstungen konnte das Flüstern und die eiligen Schritte nicht übertönen, die auf der Marmortreppe erklangen.
Der größte und prächtigste Gerichtssaal lag am Ende des mit blauen Fliesen bedeckten Ganges, gegenüber der Haupttreppe und dem Zugang zu den Zellen. Isak stürmte wie eine gewaltige Flutwelle durch den Gang, während Oberst Jachen, der Kommandant seiner Leibwache, eine ausgesuchte Truppe hinter ihm herführte, die keine Drachenlivree trug. Die Soldaten waren, bis auf ihre Helme, zur Schlacht gerüstet, wie es die Tradition vorgab,
und jeder Mann trug eine Glefe mit kurzem Griff. Sie waren bereit, bei der ersten verdächtigen Bewegung einzugreifen. Sie wirkten furchterregend, und sogar solche Schaulustigen, die schon weit entfernt standen, versuchten bei ihrem Anblick noch weiter zurückzuweichen.
Die Wände des Ganges waren mit Flaggen geschmückt, auf denen sich der rote Fuchskopf von Alav, der Göttin der Gerechtigkeit, mit der blauen Schlange von Nartis und Isaks eigenem gekrönten, smaragdgrünen Drachen abwechselte. Eine steife Brise strömte ihnen aus dem offenen Tor entgegen und hob die mit goldenen Fransen verzierten Flaggen an. Isak spürte den Wind auf seiner Haut und verzog das Gesicht, weil darauf die Stimmen vom Irienn-Platz zu ihm ritten. Die Leute hatten sich dort seit Sonnenaufgang versammelt – und der Platz war bereits mit Leuten überfüllt gewesen, als
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