Sturmbote
verschlafen, die Sonne geht gerade unter.«
Mikiss stöhnte auf, als er in das Licht hinter ihr blickte. »Warum ist es dann so hell hier?«
»Weil ich etwas Nachhaltigeres mit Euch angestellt habe, als Euch bloß Rauschkräuter zu verabreichen«, sagte sie mit einem Schulterzucken. »Ihr seid meine Gefangenen, aber ich halte nicht viel von Verhören. Zu schmutzig, zu laut und zu unverlässlich.«
Er warf Nai einen fragenden Blick zu. Der seltsame Diener blickte grimmig drein. Was immer sie mit ihm getan hatte, es musste so schlimm sein, dass nicht einmal die Androhung einer Verstümmelung den Mann völlig einschüchtern konnte.
»Ich verstehe nicht«, sagte er mit rauer Stimme. »Warum das Licht? Und wer seid Ihr?«
Sie seufzte. »Wie unhöflich von mir. Ich bin Zhia Vukotic. Und ich hoffe, Ihr habt den Sonnenuntergang gestern Abend genossen, denn es wird der letzte gewesen sein, den Ihr saht.«
»Was?« Mikiss versuchte sich zu erheben, aber er war zu erschöpft. Er sank gegen Nai und bemerkte dabei einen Verband um seinen Hals. Er erstarrte – und dann kamen ihm beinahe die Tränen. »Ihr …«
»Ich habe meinen Fluch mit Euch geteilt, ja«, sagte Zhia Vukotic ungeduldig. »Nai, bitte seht nach der Wunde.«
Der Diener grollte, wickelte aber mit geschickten Fingern die Stoffbahnen von Mikiss’ Hals. Seine Augen weiteten sich, als er hinabblickte, und dann fluchte er leise und ließ Mikiss los, dessen Kopf auf den Boden schlug.
»Sie ist beinahe verheilt«, sagte Nai über Mikiss’ Aufstöhnen hinweg.
»Hervorragend. Nun, Bote – Mikiss – Ihr könnt Euch dagegen wehren, oder aber Ihr nehmt hin, was geschehen ist«, sagte die Frau mit einem gewissen Stolz in der Stimme. »Das macht jedoch kaum einen Unterschied, denn ich habe nun die absolute Macht über Euch. Ihr werdet meine Fragen beantworten. Im Zweifel steht dabei also nur, wie viel Leid Ihr erdulden wollt, bevor Ihr es tut. Habt Ihr das so weit verstanden?«
Mikiss starrte sie benommen an. Als er sich zu Nai umwandte, zeigten dessen Züge Entsetzen und Abscheu, die Mikiss auch in Oberst Bernsteins Gesicht wiederfand.
»Da wir gerade dabei sind, den Spielstand zu betrachten: Ihr
alle tut gut daran, Euch damit abzufinden, dass Ihr nun mein Besitz seid. Ihr habt in Scree Kapitalverbrechen begangen – Spionage und Nekromantie – und damit ist Euer Leben verwirkt. Ich biete Euch eine Begnadigung in Form von Dienerschaft an.« Sie blickte zu der Frau neben sich. »Wie Legana bezeugen kann, teile ich meine Geheimnisse nur mit denen, die selbst Geheimnisse besitzen. Aber da ich keinem von Euch bisher sonderlich weit vertrauen kann, habe ich vorsichtshalber eine leichte Verzauberung auf Euch gelegt, so dass Ihr nichts von dem weitergeben könnt, was in meiner Gegenwart gesprochen wurde. Verstanden?«
Mikiss warf seinen Gefährten einen Blick zu. Nai, noch immer trotzig, schwieg. Der Oberst zuckte nur mit den Schultern, als bedeute es ihm wenig, nun einem neuen Herrn zu dienen.
»Was wollt Ihr von uns?«, fragte Mikiss.
»Ihr werdet mir von Eurer Mission in Scree berichten«, sagte sie. »Danach werde ich mit Sicherheit eine andere Aufgabe für Euch finden.«
»Und wenn wir Euch nichts erzählen?«
»Diese Wahl habt Ihr gar nicht«, sagte sie entschuldigend. »Nicht mehr, seit die Wunde an Eurem Hals verheilt ist.«
Mikiss fasste an seinen Hals. Die Haut war ein wenig wund, aber er konnte keine Verletzung ertasten.
»Mein Fluch hat nun vollständig Besitz von Euch ergriffen«, fuhr sie fort, während sie seine Bewegungen verfolgte. »Es ist eine Leichtigkeit für mich, Euch zum Sprechen zu zwingen, oder andere Dinge nach meinem Gebot tun zu lassen. Also, fangen wir an. Berichtet mir von Eurer Mission in Scree.«
Bei Zhias letzten Worten fühlte sich Mikiss’ Kopf an, als würde er in eine Mangel gesteckt und nach oben gerissen. Sein Blut kochte und zischte, während er versuchte, den Mund geschlossen zu halten. Schwarze und rote Sterne füllten sein Blickfeld, bis
er schließlich ohne eigenes Zutun den Mund öffnete und zu sprechen begann.
Es dauerte nicht lang, denn Lord Styrax hatte ihm nur seine unmittelbare Aufgabe beschrieben: den Nekromanten Isherin Purn in Scree zu finden und im Namen von Lord Styrax ein mächtiges Artefakt von ihm oder mit seiner Hilfe zu erhalten oder Bericht zu erstatten, wie man es in Besitz bringen kann. Der Nekromant hatte ihm in der kurzen Zeit ihrer Anwesenheit wenig mehr erzählt, denn Purn war ganz
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