Sturmbote
Schwäche dieser Menschen, waren sie denn so anders als wir?‹«
»Wie kann man einen Schatten im Schatten sehen?«, fragte Zhia mit matter, verständiger Stimme.
Doranei sah ihr in die Augen und erinnerte sich daran, dass ihre Brüder und sie von größeren Schrecken heimgesucht worden waren, als er sich je würde vorstellen können.
»Azaer hetzte sie aufeinander?«, fragte sie.
»Wir wissen nicht genau, was geschehen war, nur, dass sie es für einen Segen hielten, als ein begabter Spielmann für die Festlichkeiten anreiste … und sie sich dann gegenseitig zerfetzten.«
Zhia nickte langsam. »Und jetzt ist dieser Barde nach Scree gekommen, um die Spuren der Dunkelheit hier auszulegen. Ich gebe euch einen meiner Getreuen als Führer mit. Rojak und seine Gefährten haben sich in den Elendsvierteln im Süden versteckt.«
Sie schloss die Augen und beruhigte sich mit einem tiefen Atemzug, dann flüsterte sie etwas in einer fließenden, arkanen Sprache, die Doranei nicht kannte. Er saß reglos da, bis Zhia die Augen wieder aufschlug. Von ihrer vorherigen Leichtigkeit war nichts geblieben. Mit einem Seufzen stand sie auf.
»Mein Getreuer wartet unten auf dich. Er wird deinen Befehlen bedingungslos folgen.« Sie nahm Doraneis Hand und drückte seine Finger für einen Augenblick an ihre Wange. »Wenn ihr euch gerächt habt, dann geht, bevor dieser Ort euch aufzehrt. Oder der Barde gewinnt trotz allem.«
Sie gab ihm einen zarten Kuss, wenig mehr als eine leichte Berührung der Lippen, doch ihre Augen waren voller Zuneigung. »Sei vorsichtig. Rache ist wie ein wildes Tier und nur allzu oft werden die falschen verletzt, wenn sie wütet. Ich möchte nicht, dass man dir wehtut, denn du bist ein zu süßer Zeitvertreib. Sage deinem König, dass er diese Runde verloren hat und es Zeit wird, die Reste aufzusammeln und sich auf die nächste Runde vorzubereiten.«
Doranei nickte benommen und gab ihrem sanften Drängen zur Tür nach, doch etwas ließ ihn innehalten, als er sie öffnete. Er drehte sich um und sah Zhia reglos in der Mitte des Raumes stehen, die Hände verschränkt.
»Nicht dass so etwas wie Disteltal passieren konnte, erschreckte den König, sondern was es bedeutete. Es liegt nicht in Azaers Natur, andere zu etwas zu zwingen. Er weist ihnen nur den Weg.
Wenn wir alle zu solchen Dingen fähig sind, und wenn in uns allen solches Übel ruht, wie könnten wir ihn dann besiegen?«
Mit diesen Worten wandte er sich zum Gehen, doch bevor er die Tür hinter sich schließen konnte, rief sie ihm mit schwacher, zerbrechlicher Stimme und voller kindlicher Unschuld zu: »Menschen werden durch ihre Entscheidungen zu dem, was sie sind. Vergiss das nicht. Und auch Angst macht dich weniger menschlich. Wenn du dich vor der Dunkelheit in deinem Innern fürchtest, wird sie dich aufzehren – nur indem du sie annimmst, kannst du sie besiegen. Denk daran, Doranei, dass du immer eine Wahl hast. Es mag schwer werden, aber eine Wahl hast du immer.«
Zhia saß da und sah den Kerzen dabei zu, wie sie herunterbrannten. Draußen lag in einer merkwürdigen Ruhe die Stadt ausgebreitet, aber so aufgeheizt wie eh und je. Sie hatte darauf gehofft, dass die Zerstörung des Theaters zumindest hier Abhilfe schaffte, aber die Sonne hatte mit unverminderter Kraft herabgestrahlt. Sie seufzte und griff nach dem Wein, füllte die Becher auf dem Tisch. Als sie die Karaffe absetzte, öffnete sich die Tür erneut. Es kam ein Mann mit einem ledernen Übermantel herein, auf dessen Rücken zwei gekreuzte Säbel ruhten. Er war blutbesudelt und zerschlagen und hatte sich nicht die Mühe gemacht, den Dreck und Schmutz abzuwaschen. Nur der Verband um seinen Hals war sauber.
Also ehrlich , dachte Zhia und wies auf den anderen Stuhl. »Ist der Verband wirklich nötig, Oberst? Damit werdet Ihr ein wenig auffallen, wenn Ihr zum Grünen Tor zurückkehrt.«
Er grunzte und trat hinter den Stuhl, stützte sich mit den Ellbogen auf der Lehne ab und warf ihr über das Essen hinweg einen bösen Blick zu. Seine Absicht war bei dieser Geste genau die, die Zhia auch dahinter vermutet hatte, das sah sie in seinen Augen. »Das ist nicht mein Problem. Ihr wolltet mich sehen?«
»Ein bisschen Höflichkeit würde nicht schaden, Oberst. Ich bezweifle, dass die Rationen in der Kaserne sonderlich gut waren – und Ihr müsst hungrig sein.«
»Das stimmt«, sagte Bernstein grimmig. »Aber Ihr bietet dem Rest auch kein Essen an. Wir wollen eines von vornherein
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