Sturmbote
geschieht, auch wenn sie bei mir durch die Magie viel kräftiger werden.« Sie aß eine weitere Olive und setzte sich auf einen der weiß bemalten Stühle und bedeutete Doranei, es ihr nachzutun. »Aber ich glaube doch nicht, dass dein König eine Abhandlung über die Gewohnheiten und den Körper der Vampire als Gefallen erbitten wollte?«
»Nein. Wir wissen, dass Eure Getreuen das Theater beobachteten …«
»Es ist nicht mehr viel davon übrig«, unterbrach ihn Zhia. »Und ich habe nur eine ungenaue Vorstellung von dem Zauber, der in die Außenwände eingraviert wurde. Sie konnten verhindern, dass meine Getreuen sonderlich viel herausfanden. Legana berichtete mir, dass Lord Isak es abgefackelt hat. Anhand der verbliebenen Ruinen kann man nichts mehr herausfinden.«
»Aber die Schauspieler kamen nicht im Feuer um«, sagte Doranei. »Der auf die Stadt gewirkte Zauber interessiert uns nicht, nur diejenigen, die ihn gewirkt haben.«
»Der Barde?«
»Unter anderem.«
»Sind sie euch wirklich so wichtig?«
Sie bot ihm eine der Schalen an, und ohne nachzudenken, griff er hinein. Dann blickte er in seine Hand, und sein Magen
krampfte sich zusammen. Er konnte nicht einmal Vermutungen darüber anstellen, was das sein mochte, aber die schleimige Beschaffenheit und die schuppige grüne Haut ließen nichts Gutes ahnen. Er versuchte nicht darüber nachzudenken, steckte es sich in den Mund und kaute kurz, bevor er es herunterschluckte.
Er spülte mit einem Schluck Wein nach und sagte dann: »Sie sind Anhänger Azaers. Es ist das Risiko wert, wenn wir einige von ihnen töten können.«
»Ihr befürchtet, dass in Narkang das Gleiche passieren könnte?« , fragte Zhia und hielt ihm mit einem angedeuteten Lächeln die Schale noch einmal hin.
»Nein«, sagte er und lehnte das schleimig schuppige Ding höflich ab. »Aber wie sich herausstellte, reicht es Azaer nicht mehr, im Schatten zu leben. Wie viel wisst Ihr schon über ihn? Ich bezweifle, dass Ihr seinen Anhängern zuvor begegnet seid. Der Schatten hätte es nicht gewagt, sich jemandem von Eurer Macht zu nähern. Er hat umfangreiche Drohungen darüber ausgestoßen, zu welchen Schrecken er fähig sei. Und es lag ihm viel daran, dass die Priester abgeschlachtet werden.« Er lehnte sich vor. »Azaer will, dass die Götter selbst mitansehen, was er in Scree getan hat. Sie sollen es sehen und um ihre Existenz fürchten.«
»Glaubst du, er besitzt so viel Macht?«
»Macht?« Er schüttelte den Kopf. »Nein, er ist nicht mächtig, sonst hätte er sich nicht so lange verborgen gehalten. Aber vielleicht ist genau das die Gefahr … da ihn nur wenige erkennen, kann er jahrelang ungestört wüten. So wie bei dieser Malich-Sache, aber im größeren Maßstab und über Jahrhunderte, vielleicht sogar Jahrtausende hinweg. Malich ist tot und vergangen, doch jetzt hat Lord Isak erfahren, dass der Schüler des Mannes in der Stadt ist, und er wird nicht eher gehen, als bis der Nekromant tot
ist. Der Nachhall von Malichs Tod holt uns ein, dabei war er nur ein Mann aus Embere. Wie wäre es wohl, wenn er ein Unsterblicher gewesen wäre, mit unendlicher Geduld und so voller Arglist, dass wir das Ausmaß nicht einmal erahnen können?« Er machte eine Pause, denn sie schien von seinen Worten nicht überzeugt. »Habt Ihr jemals von Disteltal gehört?«
Die Frage schien Zhia zu überraschen, doch schließlich nickte sie zögernd. »Am Rande … Da war doch etwas Schreckliches, was am Tag vor der Silbernacht vollbracht wurde? Ich glaube, ich habe die ganze Geschichte niemals gehört.«
Doranei schüttelte den Kopf. »Das wundert mich nicht. Heutzutage findet man niemanden, der bereit ist, über Disteltal zu sprechen. Es war das Krönungsfest – beinahe so beliebt wie unsere Sommerfeste, weil der König da so ausgesprochen großzugig ist. Es ist unglaublich, dass so etwas Schlimmes in einem so friedlichen Dorf geschehen sollte. Und über die Jahre haben sich die Leute bemüht, es zu vergessen. Es gibt heute nicht einmal mehr Wegweiser nach Disteltal.« Doranei zögerte, denn er wurde selbst unruhig bei der Geschichte. »Ich bin mit Ilumene dorthin gereist, das war kurz nach meinem Beitritt in die Bruderschaft, und was ich dort sah, hat sich mir in die Seele gefressen. Wir standen da und sahen Männern aus den Nachbardörfern dabei zu, wie sie Knochen aus der Asche klaubten. Ich kann mich noch an seine Worte erinnern: ›In jeder unserer Taten liegt eine Spur von Dunkelheit. Bei all der
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