Sturmbote
nicht nur durchquert hat, um die Chetse zu besiegen, also versucht gar nicht erst, es zu leugnen.«
»Ihr werdet zuhören? Das ist die ganze Nachricht?« Bernstein legte seine Säbel wieder an und nahm eine Handvoll Fladenbrot vom Tisch.
»Kleine Schritte, Oberst, kleine Schritte. Wenn die Meninheere nach Norden ziehen und sich damit meinem zukünftigen Aufenthaltsort nähern, wird die Legion der Cheme sicher ganz vorn dabei sein. Wenn das passiert, bekommt Ihr vielleicht des Nachts Besuch.«
»Was ist mit Mikiss?«
Zhia hob die Augenbrauen. »Macht Euch um ihn keine Sorgen. Er ist an meiner Seite besser aufgehoben. Ich bitte Euch nur, am Grünen Tor zu sein, wenn die Stadtwache Euch braucht. Sie sind keine Soldaten, und sie brauchen einen Anführer. Ich habe vor, die zweite Armee zu vernichten und dann so viele wie möglich durch das Grüne Tor zu retten.«
»Zu retten? Warum schert Ihr Euch um die Bürger von Scree?«
»Das geht Euch nichts an«, blaffte Zhia. »Haltet Euch nur bereit für den Augenblick, wenn ich den Befehl gebe. Ich bin letzte Nacht durch die Stadt gegangen. Die wilden Massen sind außer sich und sehr bald wird die Stimmung überkochen. Wenn das geschieht, befinden sich auch die Soldaten in dieser Stadt in Lebensgefahr, und ich möchte so viele wie möglich retten. Sobald wir die Stadt hinter uns gelassen haben, könnt Ihr gehen, wohin es Euch beliebt, verstanden?«
Bernstein starrte sie an und versuchte zu ergründen, wie es kam, dass die Vampirfrau Mitgefühl empfand. Aber schließlich gab er auf und nickte. »Verstanden.«
»Gut, dann kehrt jetzt auf Euren Posten zurück«, befahl sie. »Ich muss bei einem Mord behilflich sein.«
26
»General, die Späher sind zurück«, erstattete der zweite Leutnant Mehar Bericht. General Jebehl Gort blickte von der Karte auf und in das aufgeregte Gesicht seines Gehilfen, der in respektvollem Abstand stehen geblieben war. Hinter ihm konnte Gort die dunklen Umrisse Screes erkennen, gekrönt von Fackeln, die an diesem windstillen Abend aufrecht brannten. Um ihn herum erklangen die üblichen Geräusche eines Heerlagers, doch für seine erfahrenen Ohren war es ungewöhnlich ruhig. Soldaten, die sich auf einen Kampf vorbereiteten, verhielten sich auf eine bestimmte Weise, und das hier war nicht normal. Seine Männer waren bedrückt und nervös. Sie versammelten sich zu Gruppen und sprachen leise mit zittrigen Stimmen miteinander, aus denen ihre Furcht klang. Sie hatten gehört, was in Scree geschah, und jetzt fragten sie sich, wie man eine Stadt voller Wahnsinniger besiegen konnte.
Und dann gab es noch etwas Beunruhigendes: Die Felder lagen vollkommen still da, obwohl sich in ihnen Leben regen sollte. Die meisten Tiere flohen vor einer Armee, aber so gar nichts zu hören, nicht einmal den Wind, das war bedrückend. Sie befanden sich auf einer Insel, die durch unirdische Gewässer trieb.
Die Dämmerung ließ die Schatten vor den Umfriedungen länger werden, und das erinnerte Gort an ein Gedicht, das er gehört
hatte, als er hinter seinem Vater herspioniert hatte, während dieser eines Abends mit alten Kameraden bei einem Bier zusammensaß. Diese starken, stolzen Männer waren der Grund gewesen, warum er in die Fußstapfen seines Vaters getreten und Mitglied der Ritter der Tempel geworden war. Aber in dieser Nacht hatte es keine trunkenen Lieder und kein Gerangel gegeben. Einer von ihnen, ein Bär von einem Mann aus Embere, hatte wieder und wieder ein kleines, trauriges Gedicht in seiner Muttersprache aufgesagt.
Gorts Vater hatte einige Zeilen geflüstert:
Schatten erheben sich und Gläubige fallen
Die Schnitter singen und die Dame kommt
Mit Asche im Haar und Geheimnissen in der Hand
Diese Worte waren jahrelang durch Gorts Träume gehallt, nicht nur wegen der unheimlichen Stimmung an diesem Abend, sondern auch wegen des Entsetzens, das sich bei diesen Worten im Gesicht seines Vaters gespiegelt hatte. So hatte er ihn danach nie wieder gesehen.
Er schüttelte den Spuk ab, denn das war nicht der richtige Zeitpunkt, um sich auf kindische Ängste einzulassen. Seine Männer brauchten jetzt einen starken Anführer, gleichgültig ob sie Adlige oder einfache Leute waren. Sein Gehilfe hatte die richtige Idee gehabt: trotz der Gluthitze sah Leutnant Mehar in seiner Garderüstung prächtig aus. Als Gehilfe des Generals der Ritter der Tempel musste er sich unter den anderen Soldaten hervorheben, darum waren sein Kürass sowie seine Arm- und Beinschienen
Weitere Kostenlose Bücher