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Sturmbote

Sturmbote

Titel: Sturmbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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behauptete, sie sei ein Vampir.
    Doranei fühlte einen Knoten im Magen. Er hatte beim letzten Mal gar nicht darüber nachgedacht, aber hieß es nicht, Vampire hätten kein Spiegelbild? Hatten die Götter ihre Eitelkeit nicht ebenso verflucht wie ihren Verrat? Er versuchte sich verzweifelt
an die Schriften zu erinnern, denen er als Kind mit großer Mühe ausgewichen war.
    »Willst du mich denn nicht begrüßen? Normalerweise würde es mich freuen, wenn ein Mann innehält und mich anstarrt. Aber dein Ausdruck weist nicht gerade auf Entzücken hin«, schnurrte Zhia. Doranei bemerkte die angedeutete Schärfe in ihrer Stimme sehr wohl.
    »Ich sehe Euch. Wie kann es sein, dass ich Euch sehe?«, fragte er und drehte sich ihr endlich zu.
    »Weil du ein kluger Junge bist«, antwortete sie. »Und dafür wirst du später auch eine Belohnung bekommen.«
    »Ihr wisst, was ich meine.« Sein grober Ton entlockte ihr ein kokettes Lächeln, bei dem er erstarrte – so wie der Hase, wenn der Schatten des Adlers über ihn fällt.
    »Warum plötzlich so ernst, mein Lieber? Mir gefällt dieses düstere Funkeln in deinem Blick, das solltest du öfter zeigen. Aber da du offensichtlich schmollen willst, bis ich antworte: Andere können uns sehen, wir selbst uns aber nicht. Die Götter sagten irgendwas über Stolz, als sie uns verfluchten, doch ich muss zugeben, dass ich mich damals nicht so recht wohlfühlte und darum auch nicht so genau zugehört habe.«
    Sie zog eine Augenbraue hoch, als sie seinen Ausdruck bemerkte. »Oh, jetzt schau nicht so. Deine Götter mögen noch so ehrfurchtgebietend sein, aber damals hatten sie mir gerade Spieße durch beide Füße gerammt, und ich trug weniger Haut am Leib, als ich mir eingestehen möchte.« Sie trat zu ihm, stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte ihm einen sanften Kuss auf die Lippen. Doraneis Hand zitterte bei dieser Berührung. Sein ganzer Körper wollte sich ihrem Duft zuneigen. Es dauerte, bis er sich weit genug unter Kontrolle hatte, um die Hände um ihre Taille zu legen und sie an sich zu ziehen. Als er es tat, seufzte sie zufrieden und legte ihm die Hände in den Nacken.

    Als sie sich aus dem Kuss lösten, hielt ihn Zhia fest und sah ihm mit einem geheimnisvollen Lächeln in die Augen. Trotz ihrer berauschenden Ausstrahlung war Doranei von der plötzlichen Nähe doch beunruhigt. Sie könnte ihm mühelos mit einer Hand das Genick brechen. Ein Leuchten wie das in diesen tiefen, blauen Augen hatte er noch nie zuvor gesehen. Am ehesten war es noch mit der Büste des Nartis zu vergleichen, die in den königlichen Bädern Narkangs stand. Jedes Auge war ein makelloser Saphir. Es war ein gotteslästerlicher Vergleich, das war ihm schon bewusst, aber er lag nahe. Nicht einmal König Emins kalte, funkelnde Augen strahlten so hell.
    »Also, du bist zwar eine angenehme Ablenkung, aber ich nehme nicht an, dass dies der einzige Grund für deinen Besuch ist?«
    »Der König bittet Euch um Hilfe.«
    »Und worum bittest du?«, fragte sie. Doranei blinzelte verwirrt, abgelenkt von ihrer Frage und ihrem Finger, der seine Wirbelsäule entlangstrich.
    »Ich … ich möchte, dass Ihr meinem König helft.«
    »Sonst nichts?« Sie hörte auf ihn zu streicheln und bohrte stattdessen ihren Fingernagel in seine Haut, allerdings nicht stark genug, um ihn zu verletzen, aber doch stark genug für einen stechenden Schmerz.
    Er tat, als müsse er darüber nachdenken. »Ein weiterer Kuss wäre ebenfalls nett.«
    »Nur nett? Ich lasse nach, wie es scheint«, sagte Zhia und berührte seine Lippen flüchtig mit den ihren, bevor sie sich löste und zum Tisch ging. »Setz dich. Hast du Hunger?«
    Er schüttelte den Kopf, setzte sich aber trotzdem zu ihr an den Tisch. Sie nahm eine große Olive aus einer der Schüsseln und warf sie sich in den Mund. Ein Tropfen Öl lief an ihrem Finger hinab, bis sie ihn mit der Zunge auffing und sorgfältig ableckte.

    »Ich dachte, Vampire könnten keine gewöhnliche Nahrung essen«, sagte er.
    Zhia warf ihm einen spöttischen Blick zu. »O du mein Süßer, dabei hast du dich so gut angestellt. Blut bringt mir etwas von der Lebenskraft einer Person, etwas von dem, das sie von Felsen oder Wasser unterscheidet. Es ist die Lebenskraft, die mir vor so vielen Jahren genommen wurde. Aber da gäbe es wohl viele Leerräume in meinem Körper, wenn er nur von Magie zusammengehalten würde. Es ist bedeutend besser, Muskeln und Knochen auf die gleiche Weise zu erhalten, wie es bei Menschen

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