Sturmbote
dem er Angst davor hatte, was passieren mochte, wenn sein Lord und der mysteriöse Feind der Götter, der hier lebte, sich jemals auf unterschiedlichen Seiten des Schlachtfeldes wiederfinden mochten. Sie jagten einen Verräter und er wusste, dass ihr König ihn aufmerksam beobachtete.
Legana öffnete die Tür zum Arbeitszimmer und trat beiseite, um ihn in den leeren Raum einzulassen. Dicke Vorhänge bedeckten die hohen Fenster und nur zwei Kerzen auf dem Tisch sowie die Öllampen zu beiden Seiten der Tür spendeten etwas Licht.
»Zhia spricht mit Mikiss. Die ersten Tage nach der Verwandlung sind schwierig, so sagte sie mir. Bald kommt sie zu dir.«
»Mikiss? Der Meninsoldat, den sie biss, als ich das letzte Mal hier war? Hat sie wirklich Zeit, einen neugeborenen Vampir zu bemuttern? Ich hätte erwartet, dass sie zu den Kämpfen am Grünen Tor eilen würde.«
»Auf einige Minuten kommt es nicht an«, sagte Legana. »Mikiss mag ein Neugeborener sein, aber auf diesen Straßen wird er dennoch zu einem gefährlichen Kämpfer, wenn er erst wieder zu
sich gefunden hat. Das Grüne Tor ist in guten Händen. Haipar hat dort den Oberbefehl, und da einige ihrer Gefährten durch das Fuchsloch hereingekommen sind, wird das Grüne Tor nicht fallen.« Fragend legte sie den Kopf schief. »Wenn du dir solche Sorgen über verschwendete Zeit machst, was tust du dann hier? Was willst du von uns wissen, bevor du fliehst?«
»Ich sagte schon, wir haben noch etwas zu regeln«, sagte Doranei ernst.
Er ging in die Mitte des Raumes. Der Tisch zur Rechten war für ein Abendessen gedeckt: Ein halbes Dutzend flacher, mit Essen gefüllter Holzschalen stand in der Mitte der Tafel, neben einer Karaffe mit Bleiverzierungen, in der sich eine tief dunkelrote Flüssigkeit befand – hoffentlich handelte es sich nur um Wein. Der Tisch war für zwei Personen gedeckt. Hatte sie ihn erwartet? Oder jemand anderen?
»Habe ich Euch beim Abendessen gestört?«, fragte er vorsichtig.
Legana lächelte ihn spöttisch an. »Mich nicht, aber die edle Dame Zhia hat noch nicht gespeist.«
Damit verließ sie den Raum und zog die Tür hinter sich zu. Doranei blickte ihr nach. Nachdem ihre Schritte verklungen waren, blieb es still vor der Tür. Er gab seiner Neugier nach und roch an der Karaffe: es war Wein. Und dem reichen Bouquet nach zu urteilen, ein alter Jahrgang. Aber davon durfte er sich nicht den Geist benebeln lassen. Um den Tisch standen fünf Stühle und an einem davon hing über der Lehne ein Schwert mit einem ungewöhnlich langen Griff. Auf der Scheide waren Worte geschrieben, die er nicht lesen konnte, in Buchstaben, die mit Efeu und Hasenglöckchen miteinander verbunden waren. Der lederumwickelte Griff machte fast die Hälfte der Waffe aus und war gänzlich unverziert. Der Parierschutz war nicht viel mehr als ein Ring, der um den Griff lief. Eine solche Waffe hätte er bei einer Dame nicht erwartet.
Sei kein Narr , schalt sich Doranei selbst. Sie ist keine Dame, sie ist ein verdammter Vampir, und damit stark genug, um dir die Arme abzureißen. Diese Waffe ist für sie vermutlich so leicht wie ein Ästchen.
Er wandte sich dem Spiegel zu, aus dem Koezh Vukotic bei seinem letzten Besuch getreten war. Er hob ihn von der Wand, um dahinterzusehen, drückte seine gespreizte Hand auf die Oberfläche, um auch sicher zu sein, dass sie undurchdringlich war, und konnte nichts Ungewöhnliches finden. Das einzige Ergebnis waren fettige Abdrücke auf der Spiegelfläche, die er mit einem gemurmelten Fluch und dem Ärmel wegwischen wollte. Damit machte er es aber nur noch schlimmer. Er sah sich nach einem sauberen Tuch um, doch bis auf die Vorhänge fand er nichts.
Er lächelte seinem Spiegelbild grimmig zu. Die Leute in dieser Stadt zerfleischen sich gegenseitig, und du machst dir Gedanken, weil du Möbel beschmutzt? Was geht nur in dir vor?
Hinter ihm klickte ein Schloss. Sein Blick wanderte von seinem eigenen zum Spiegelbild der Tür, die nun aufschwang und Zhia einließ. Wie Legana war sie in eine verzierte Rüstung gehüllt, mit einem weißen Hemd darüber, das bis zu ihren Knien reichte, hohen Stiefeln und darübergeschnallten Beinschienen. Er sah sie zum ersten Mal etwas anderes tragen als feinste Seide. An ihrer Seite trug sie einen Dolch, der zu dem Schwert am Stuhl passte. Doch ihr Haar fiel ihm am stärksten auf. Es war wieder rotbraun gefärbt, vermutlich um ihre Verbindung zum Weißen Zirkel zu bekräftigen, wo doch das Heer am Grünen Tor
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