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Sturmherz

Sturmherz

Titel: Sturmherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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immer länger werdende Liste der Tierarten, die dank meiner Spezies für immer von diesem Planeten verschwanden.
    Louans Herzschlag hielt eine dem Tod geweihte Legende am Leben. Ich legte meinen Kopf auf seine Brust und hörte ihm zu.

Kapitel 8
    Wie man in die Tiefe blickt
    „Auf dem hohen Küstensande
Wandre ich im Sonnenstrahl;
Über die beglänzten Lande
Bald zum Meere, bald zum Strande
Irrt mein Auge tausendmal.
Aber die Gedanken tragen
Durch des Himmels ewig Blau
Weiter, als die Wellen schlagen.“
Theodor Storm
    ~ Dr. Ruth Chapman ~
    W as für ein komischer Kauz. Auf den maroden Fischkutter passte er perfekt und setzte der steinzeitlichen Szenerie das Sahnehäubchen auf. Welcher vernünftige Mann stand auf Bollywood-Filme und las Liebesromane? Wer so etwas tat, trug auch pastellfarbene Unterhosen. Ruth beobachtete, wie Aaron gemeinsam mit MacMuffin den Kutter belud. Jetzt, wo ihr Kollege aufzublühen schien und der Wind seinen Zopf zu lösen begann, sah dieser Kerl auf spezielle Art sogar attraktiv aus. Aaron war ein durch und durch guter Kerl. Er war so gut, dass ihr schlecht davon wurde, und doch brachte diese nervtötende Empfindsamkeit etwas überaus Praktisches mit sich. Aaron war anfällig für ihre Manipulation. Er fraß ihr aus der Hand. Er rutschte vor ihr auf den Knien, wenn sie ihn darum bat. Er tat alles, was sie wollte, wenn sie ihm nur das Gefühl gab, es läge ihr etwas an ihm.
    Putziger, verblendeter Gutmensch.
    Wenn sie ihr Ziel erreichten und die Welt ihnen zu Füßen lag, wenn sie Ruhm, Ehre und Reichtum im Überfluss ernteten und die angesehensten Koryphäen der Wissenschaft sie um ihre Forschungsergebnisse anbettelten, würde sie Aaron vielleicht als Partner in Erwägung ziehen und ihren Ehemann zum Teufel jagen. Er war leichter auszunehmen, er war ihr hörig und nebenbei ein begnadeter Wissenschaftler. Ihm war nur noch nicht das Glück zuteil geworden war, von seinesgleichen akzeptiert zu werden. Zuviel an ihm war skurril. Die Tatsache, dass er allein in diesem alten, maroden Haus lebte. Seine Herkunft und seine Vorlieben. Dann diese merkwürdige Art, die etwas Verträumtes, Kindliches an sich hatte und in Ruth permanent das Bedürfnis auslöste, ihn mit einer Ohrfeige aus seinem Wolkenkuckucksheim herauszuholen.
    Ja, die Idee, ihren Erfolg mit einem neuen Ehemann zu krönen, war durchaus verlockend. Aaron sah besser aus und war intelligenter, wenn auch nicht so intelligent wie sie. Er konnte kochen, wusste eine Waschmaschine zu bedienen und verfügte über haufenweise Geld, von dem er dank seines unsozialen Lebens nicht wusste, wie er es ausgeben sollte.
    Nun, dabei konnte sie ihm helfen. Wenn Ruth eines gelernt hatte, dann die Tatsache, dass man als Frau Macht nicht geschenkt bekam. Man musste sie sich einfach nehmen.
    Sie schwindelte vor Nervosität, in ihrem Magen und in ihren Knien kribbelte es herrlich. Was scherte sie sich um Aaron? Etwas weitaus Spannenderes bot sich ihr dar. Eine lebende Legende wartete darauf, von ihr entdeckt zu werden. Ein wahr gewordenes Märchen, das die Welt der Wissenschaft von Grund auf verändern und neu ordnen würde.
    Ruth erinnerte sich an eine Textpassage, die sie auf dem Weg hierher gelesen hatte. Sie stammte aus einem dieser kitschigen, albernen Touristenblättchen für einfache Gemüter, nach denen sie sonst nie gegriffen hätte. Doch inzwischen verpasste ihr das Stichwort Selkie , wo auch immer sie darüber stolperte, einen wahren Gefühlsausbruch.
    Die meisten Kinder aus Verbindungen zwischen Landbewohnern und Seehundmenschen kehren in das Meer zurück. Ihre menschliche Familie trauert unendlich, doch die Netze, die sie auswerfen, bleiben niemals leer. Andere Kinder sind stärker dem Land verbunden. Doch obgleich sie sich für ein Leben auf fester Erde entscheiden, verfolgt sie doch der Ruf des Meeres. Sie träumen von Tangwäldern und mondschimmernden Wellen. Ihre Sehnsucht zerreißt sie schier, aber gleichzeitig ist ihre Liebe zu den Menschen zu groß, um sie zu verlassen.
    Eine Gänsehaut zog sich über ihren ganzen Körper. Wer hätte gedacht, wie magisch die Welt dort draußen wirklich war? Vor wenigen Stunden hatte sie noch in ihrem Labor gesessen, jetzt stand sie in einem beschaulichen Dorfhafen und wartete darauf, auf einen alten Kutter zu klettern, um das Abenteuer ihres Lebens in Angriff zu nehmen. Ihre hochgeschätzten Kollegen besaßen im Kopf einen geistigen Horizont mit dem Durchmesser von einem Zentimeter und waren auch noch

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