Sturmherz
stimmt, könnt ihr so verrückt sein, wie ihr wollt.“
Ruth lief schimpfend auf und ab, während Aaron ihr immer wieder rätselhafte Blicke zu warf. Was in Herrgottsnamen war los mit diesem Kerl? Sie wurde nicht schlau aus ihm. Auf dem Weg hierher hatte seine Erregung der ihren das Wasser reichen können, er war sogar derart nervös gewesen, dass sie an jeder Raststätte hatten anhalten müssen, damit dieser seltsame Kauz mit fliegendem Mantel auf das stille Örtchen wetzen konnte. In höchsten Tönen hatte er von ihrer gemeinsamen Zukunft fabuliert und ein Luftschloss nach dem anderen gebaut, jetzt hingegen machte er den Eindruck, als verabscheute er sich selbst und den Rest der Welt.
Ruth winkte ab. Es gab Wichtigeres, als Aarons verkorkste Psyche zu durchschauen. Obwohl es ihr absolut nicht behagte, zog sie den Scheck aus der Hosentasche und reichte ihn MacMuffin, als er am Pier anlegte. „Machen Sie erstmal frei. Dieser Betrag gilt für eine Woche. Solange stehen Sie uns bitte zur Verfügung, wann immer wir Sie brauchen. Gibt es auf Ihrer Nussschale eine abschließbare Tür?“
Die Augen des Fischers glitzerten angesichts des Schecks. Wenn es um Geld ging, glichen sich alle Menschen wie ein Ei dem anderen. „Sicher doch.“
„Dann sorgen Sie bitte dafür, dass unsere Ausrüstung sicher gelagert wird. Ich habe keine Lust, alles ständig hin und her zu schleppen.“
Aaron schnaufte. „Darf ich erwähnen, dass ich ständig alles hin und her geschleppt habe?“
„Klappe“, blaffte Ruth. „Darf ich fragen, wo Sie wohnen?“
MacMuffins verschrumpeltes Gesicht verjüngte sich um mehrere Jahrzehnte. „Ich wohne direkt da oben, im Bruchsteinhaus neben der Kirche. Nehmen Sie mich in Anspruch, wann immer Sie mich brauchen.“
„Danke. Und mir kam soeben noch eine Idee. Ich hätte gerne die Schlüssel zu dem Kutter.“
„Wie bitte?“
„Ich lege nochmal zweihundert Pfund obendrauf.“
MacMuffin brummte und knurrte wie ein Seelöwe. Schließlich drückte er ihr unter sichtlichem Widerwillen das Schlüsselbund in die Hand. Es fühlte sich derart vollgeschwitzt und speckig an, dass Ruth am liebsten gewürgt hätte.
„Können Sie überhaupt damit umgehen?“, grummelte er. „Ist mein Schätzchen. Mein Baby. Meine Frau, wenn man so will.“
Sie verdrehte innerlich die Augen. „Machen Sie sich keine Sorgen. Sobald wir Sie brauchen, melden wir uns. Ist es notwendig, haben wir jederzeit das Recht, uns spontan Ihren Kutter auszuleihen.“
„Okay“, seufzte MacMuffin.
„Und zuletzt darf ich noch fragen, wo dieses Mädchen wohnt?“
„Mari? Da oben, in dem Haus auf den Klippen. Was wollen Sie von ihr?“
„Nichts.“ Ruth setzte ihr harmlosestes Lächeln auf. „Ich will ihr nur ein paar Fragen stellen. Auf Wiedersehen.“
Sie packte Aaron am Arm und zerrte ihn hinter sich her, die Hafenmauer entlang, dann den Pfad zu den Klippen hinauf. Kein Protest kam über seine Lippen, bis sie vor dem besagten Haus standen. Es sah aus wie viele Häuser auf den Orkney-Inseln. Erbaut aus grauem Stein mit einem Dach aus alten Steinschindeln, auf dem Moos und der eine oder andere Grasbüschel wuchs. Die Fenster waren seit langem nicht geputzt worden, der Garten wucherte ungehindert vor sich hin.
Beinahe erinnerte es an die gespenstische Bruchbude ihres Kollegen.
Hinter dem Haus erkannte Ruth einen riesigen Wintergarten mit mehreren Anbauten. Das Glas war beschlagen, dahinter schien ein ganzer Dschungel aus Pflanzen vor sich hin zu wuchern.
„Typisch Ruth“, nuschelte Aaron, als sie den Klingelknopf drückte. „Mich wundert es, dass du noch nie verklagt wurdest.“
„Dieses Mädchen weiß etwas.“ In ihr keimte der leise Verdacht auf, dass Aaron gerade unter einem äußerst unpraktischen Anfall von Selbstbewusstsein litt. „Hast du gesehen, was für ein Gesicht sie aufgesetzt hat?“
„Ich bin nicht blind.“
„Fein. Dann ist dir auch klar, warum wir hier stehen.“
„Um einem Mädchen schon am ersten Tag unserer Anwesenheit hinterher zu spionieren? Komisch nur, dass du erst jetzt daraufkommst, und sie nicht bei unserer ersten Begegnung direkt eingesackt hast. Das wäre eher deine Art gewesen.“
Ruth stöhnte. Aarons Gutmenschengehabe ging ihr gehörig auf den Keks. Wenn diese Sache durch ihn und seine blank polierte Moral missglückte, würde ein Tritt in den Hintern nur die harmlose Begleiterscheinung eines weit größeren Problems sein.
„Denk an unser Ziel“, zischte sie zwischen
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