Sturmherz
Art Maschinen im Weltraum.“ Ich wedelte ratlos mit der Hand. Musste er mich ausgerechnet jetzt mit seiner Neugier traktieren? „Sie sind bestückt mit Kameras und Messgeräten und können von dort oben aus alles überwachen. Heutzutage kannst du gar nicht vorsichtig genug sein. Vielleicht hat dich ein Fischer gefilmt, und er war so weit weg, dass du ihn nicht bemerkt hast.“
„Sind eure Kameras so gut?“
„Ja“, knurrte ich. „Und noch viel besser.“
Jetzt schien sich seine Beunruhigung in echte Sorge zu verwandeln. „Der Weltraum, das ist weit über den Wolken, nicht wahr? Ich habe gehört, wie Menschen darüber erzählten. Wir leben auf einer blauen Kugel, die im Weltall schwebt. Und es gibt noch viele andere Kugeln wie unsere. So viele, dass man sie niemals zählen könnte. Man nennt sie Sterne.“
„Du solltest dir lieber um andere Dinge Gedanken machen.“
„Es muss viele Welten wie unsere da oben geben.“ Louan überging meine Worte einfach. „Viele andere Wesen und Gedanken.“
„Verdammt, das ist doch völlig egal. Hier geht es darum, dass Menschen vermutlich dein Geheimnis kennen. Du weißt, wie das enden kann. Darüber muss ich dir nichts erzählen, oder?“
Er schüttelte den Kopf. „Sind Satelliten die leuchtenden Punkte, die nachts über den Himmel ziehen, wenn es klar ist?“
„Ja.“ Ich atmete tief durch. Dieser Kerl machte mich wahnsinnig. Anscheinend entging ihm nach wie vor der Ernst der Lage. „Hör zu, du hast zwei Möglichkeiten. Entweder du verschwindest von hier und suchst dir eine neue Heimat. Möglichst weit weg von hier. Oder du bleibst ein Mensch und verzichtest auf den Seehund.“
„Das kann ich nicht.“
Die Übelkeit schnürte mir die Kehle zu. Lass los, Mari. Du hast ihm versprochen, es zu akzeptieren. Und dieses Versprechen musst du halten. Ganz gleich, wie weh es tut.
„Dann geh“, sagte ich. „So weit weg, wie du kannst. Wenn es ein Video gibt, kennen sie deine Menschengestalt. Es ist besser, wenn du verschwindest.“
„Nein.“ Jetzt nahm er mich bei den Schultern und zog mich zu sich hinunter. Das Gefühl seiner Arme, die sich um mich schlossen, war unbeschreiblich schön und zugleich unbeschreiblich grausam. „Ich will nicht wieder allein sein. Ich bleibe bei euch. Sie suchen nach weißen Seehunden, nicht nach Selkies. Die Fischer haben mich gesehen, als ich ihre Netze zerstörte. So wird man von mir erfahren haben. Sie kennen nur das Tier mit der seltsamen Farbe, nicht den Menschen.“
„Aber du musst dich in dieses Tier verwandeln.“
„Ich werde vorsichtig sein.“ Er strich mir über das Haar. Ich sah sein Lächeln nicht, aber ich spürte es an meiner Stirn, wo seine Lippen ruhten. „Sehr vorsichtig. Mein ganzes Leben lang musste ich mich vor den Menschen verstecken. Ich kenne es nicht anders. Wenn sie mich doch erkennen, werde ich verschwinden. Aber ich verlasse dich nicht wegen eines Verdachtes.“
„Warum bist du auf einmal wild entschlossen, hier zu bleiben?“
„Weil ich es satt habe, allein zu sein. Ich will nicht länger Angst haben. Diese eine Nacht, Mari …“ Ihm schienen die Worte zu entgleiten. Er holte tief Luft, griff nach meinen Schultern und packte zitternd zu. „Allein für diese Nacht hat es sich gelohnt. Und wenn mir nur eine weitere bleibt, ist das jede Gefahr wert.“
„Louan.“ Ich wollte weinen und lachen, ihn fortjagen und ihn festhalten. Tief atmete ich den warmen, schläfrigen Geruch seines Körpers ein. Noch immer war er nackt unter der Decke, die das Aroma unseres Liebesakts eingefangen hatte. „Sie werden moderne Technik benutzen. Kameras und Sonar und ein ganzes Sammelsurium an wissenschaftlichen Geräten. Damals war es einfach, den Menschen zu entkommen. Heute sehen sie dich, selbst wenn du tief unter Wasser bist. Ich will nicht schuld daran sein, dass sie dich … dass sie dich …“
Sanft legte er eine Hand über meinen Mund. „Du musst keine Angst um mich haben. Ich kann auf mich aufpassen. Außerdem habe ich Freunde da draußen. Große, mächtige Freunde.“
Ich schloss meine brennenden Augen, schmiegte mich an ihn und klammerte die Realität aus. Etwas Besseres fiel mir nicht ein. Selbst Wale waren heutzutage hilflos und starben zu Tausenden dort draußen. Der Raubbau an den Meeren ging nicht nur ungehindert weiter, er nahm sogar noch zu. Ich dachte an den Golf von Mexiko, der vom Öl vergiftet worden war. An Netze, so groß, dass dreizehn Jumbojets hineinpassen würden, und an die
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