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Sturmjäger von Aradon - Magierlicht - Nuyen, J: Sturmjäger von Aradon - Magierlicht

Titel: Sturmjäger von Aradon - Magierlicht - Nuyen, J: Sturmjäger von Aradon - Magierlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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nicht anders, als sich vorzustellen, wie die Äste einen Menschen erdrückten – sicher wäre es ihnen ein Leichtes. Sie vertrieb den Gedanken und gab acht, dicht hinter Mercurin zu bleiben.
    Das Dickicht teilte sich für sie und schloss sich hinter ihnen wieder, sodass nie mehr Platz war als gerade nötig. Selbst wenn es noch hell gewesen wäre, durch das Blätterdach drang sicher kein Sonnenstrahl. Hel nahm die Umgebung fast nur mit der zweiten Sicht wahr.
    Dann wurden die Bäume höher. Gleich Säulen ragten die glatten silbernen Stämme aus dem Moosteppich und flochten ihre Äste weit oben zu einem Kuppeldach. Wo der Mond gerade aufgegangen war, bildeten sie ein rundes Fenster. Eine Weile gingen sie durch die lebendigen Flure, ohne zu sprechen. Außer dem Knarren der Bäume herrschte vollkommene Stille.
    In einer runden Halle blieb Mercurin stehen. Zwischen zwei Felsblöcken sprudelte eine Quelle hervor. Mercurin legte eine Hand darunter. Das Wasser sammelte sich und schwebte wie eine Blase über seinen Fingern, als er sich zu Hel umdrehte. »Trink.«
    Unsicher legte Hel den Kopf zurück und versuchte das Wasser aufzufangen, doch es floss wie durch einen unsichtbaren Flaschenhals aus seiner Hand in ihren Mund, ohne dass ein Tropfen verloren ging.
    »Das Tiefe Licht hat dich nach Hellesdîm gelassen. Das bedeutet, du bist meine Schwester.« Als sie ausgetrunken hatte, trat er ein paar Schritte vor ihr zurück. Traurig sah er sie an, doch sein Gesicht war hart. »Aber das bedeutet auch, dass du meine Konkurrentin bist. Es tut mir leid, Hel.«
    Er streckte die Hand aus. Lirium schoss aus der Erde durch seinen Arm, traf Hel mit einem plötzlichen Stoß vor die Brust und schleuderte sie zurück.

Verlorener Kampf
    H el prallte mit der Schulter auf den Boden. Zum Glück dämpfte das Moos ihren Sturz. Weniger aus Schmerz denn aus Entsetzen blieb ihr die Luft weg. Irgendetwas in ihr wollte nicht wahrhaben, dass Mercurin sie angegriffen hatte – noch nicht einmal, als ein zweiter Blitz auf sie zuschoss. In letzter Sekunde rollte sie sich zur Seite. Am ganzen Körper zitternd, richtete sie sich auf.
    »Was zum Henker soll das?«, schrie sie.
    »Du trägst ein Totenlicht. Wie hast du es bekommen?« Er sprach leise, tonlos – mit einem Ausdruck im Gesicht, der Hel mehr Angst einjagte als die Schlucht mit dem Feuer. Seine traurige Gleichgültigkeit war ein Panzer, den nichts durchdringen konnte, kein Mitleid, kein Flehen, keine Vernunft.
    Er wischte durch die Luft. Hel spürte Abermillionen Liriumfunken wie Nadeln auf sie einprasseln. Eine Sekunde, zwei Sekunden. Der Schmerz ließ nach. Nadeln wurden zu Schneeflocken, ganz weich, rieselten zu Boden. Hatte er doch Erbarmen? Oder hatte sie es bewirkt? Sein Gesicht gab keine Antwort.
    Hel spürte ein Schluchzen im Hals, doch durch ihre zusammengebissenen Zähne klang es wie ein Knurren. »Worauf wartest du denn noch? Wenn ich ein Totenlicht in mir habe, dann bring mich doch um!« Tränen stürzten ihr über die Wangen und die Scham war unerträglicher als alle Schmerzen. Wahrscheinlich gefiel es ihm, sie so zu sehen. Wozu sonst das lange Zögern, seine verwirrenden Spielchen, seine Proben?
    »Scheusal«, schluchzte sie. Hätte sie es doch brüllen können. »Bring mich endlich um! Hättest du es doch schon in der Wüste gemacht, als du alle anderen getötet hast!«
    »In der Wüste? Das Schiff, das war nicht ich.«
    Er sprach so leise, dass Hel ihn nicht ganz verstanden hatte. Sie schniefte.
    »Das warst du, Hel.«
    Sie starrte ihn an. »Aber ich habe dich gesehen. Ein Funkeln im Land. Bevor das Schiff abgestürzt ist.«
    »Ich habe gebetet, die Totenlichter mögen sich mir offenbaren. Wenn du ein Totenlicht trägst, muss es in jener Wüstennacht erwacht sein.«
    Hel schmeckte Blut im Mund. Sie hatte sich die Unterlippe aufgebissen.
    »Damals hatte ich noch kein Totenlicht und wäre nie in der Lage gewesen, ein Schiff zum Absturz zu bringen«, fuhr er fort.
    Gharra, Jureba, die Mannschaft der Schwalbe . Ihre einzige Familie, ihre Freunde, alles, was sie gehabt hatte. Durch sie –?
    »Du lügst«, presste sie hervor. »Du bist ein feiger Lügner und ein Mörder!«
    Mercurin krümmte sich ruckartig. Ein Lichtschlag hatte ihn in die Rippen getroffen. Hel wagte nicht zu ihren eigenen Händen hinabzublicken. Sie spürte, dass ihre rechte Hand nicht mehr zur Faust geballt war. Hatte sie – gerade eben? Und damals, in jener Nacht in der Wüste … Sie bekam keine Luft. Sie

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