Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sturmjäger von Aradon - Magierlicht - Nuyen, J: Sturmjäger von Aradon - Magierlicht

Titel: Sturmjäger von Aradon - Magierlicht - Nuyen, J: Sturmjäger von Aradon - Magierlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
Vom Netzwerk:
existieren. Für eine Weile jedenfalls.
    Benommen spürte sie, wie Mercurin die Stirn auf ihre Brust legte und die Faust ballte. Ein ersticktes Schluchzen versank in ihrer Tunika. Dann nahm er sie in die Arme. Er trug sie irgendwohin. Zweige knirschten und Blätter rasselten. Er stieg eine Treppe hinauf. Hel wollte die Augen öffnen, wollte wissen, was geschah, aber ihr Körper hörte schon lange nicht mehr auf sie und blieb einfach reglos.
    Eine Wand warf das Echo seiner Schritte zurück, sie mussten in einer Halle oder Steinhöhle sein. Er legte sie auf einen harten Untergrund. Endlich gelang es Hel, die Augen zu öffnen. Er kniete neben ihr. Ringsum war nur Finsternis, aber sie sah ihn mit der zweiten Sicht. Sein Licht war matt. Auch er konnte sie nur mit der zweiten Sicht sehen. Er strich ihr die Haare aus der Stirn, entlang an ihrem blinden Auge, aber sie schämte sich nicht. Er kannte sie, und es gab nichts, was sie verbergen wollte.
    Seine Fingerspitzen liefen ihren Hals hinab und verursachten zitternde Wogen, als wäre ihre Haut Wasser, die stille Oberfläche eines Sees. Er beugte sich tiefer und legte die Lippen an ihre Wange. Schob sich auf sie. Sie spürte das Gewicht seiner Hüfte auf ihrer und spürte überhaupt plötzlich so viel. Seine Hand fuhr die Seite ihres Körpers hinab und ihre fuhr an ihm hinauf. Sie strich ihm die Haare zurück, um seine Augen zu sehen, die vertraut und unergründlich waren wie der Himmel zwischen Tag und Nacht.
    Er presste den Mund in ihre Handfläche, küsste ihren Arm und ihre Schulter und erkundete ihren Nacken mit der Spitze seiner Nase. Was taten sie? Worte schrien in ihrem Kopf, aber sie hörte und verstand sie nicht. Hier und jetzt waren ihre Berührungen die einzige Sprache.
    Sein Atem ging zitternd, er war genauso unsicher wie sie. War er je einem Menschen so nah gewesen? Verstand er seinen Körper, verstand er Hel? Ihre Hände verkrochen sich unter seinem Umhang. Unter dem Wams. Es gab nichts zu verstehen. Sie musste ihm nur näher sein, viel näher. Die Gegenwart verdrängte alles, war ins Unermessliche vergrößert. Seine Hände auf ihr, seine Haut an ihrer, und sein milchwarmer Duft in ihrem, und ihre Lichter eins.
    Die Dunkelheit mochte grenzenlos sein, die Zeit aber ließ sich trotzdem nicht aufhalten. Augenblicke kamen und mussten neuen weichen. Sie lagen sich in den Armen, bebend, schwach und hilflos. Die Worte, die sie so lange unterdrückt hatten, wollten nicht mehr stillhalten.
    »Was ist passiert.« Ihr Flüstern blieb über ihnen hängen wie Rauch. Lange antwortete er nicht, hielt sie nur fester.
    »Ich wollte dir nicht wehtun.«
    »Hast du nicht.« Sie überlegte. »Doch. Du tust mir weh. Immer schon, seit ich dich kenne.«
    »Du mir auch.«
    Sie legte ihre Hand an seine Wange, konnte fast nicht glauben, dass sie ihn so anfassen konnte, als wäre er nur ein Junge, sie nur ein Mädchen.
    »Weiß du, wie oft ich dich in den Wüstennächten beobachtet habe und versucht war, dich zu töten … aber ich konnte es nicht. Ich konnte nicht.«
    »Wieso ausgerechnet ich?«
    Ratlos zuckte er die Schultern, musste fast lächeln. »Ich wusste nicht, warum du überlebt hast. Ich konnte nicht verstehen, was für eine Verbindung du zum Tiefen Licht hattest. Ich dachte, du wärst eine göttliche Erscheinung, mein Schutzpatron … aber dann … du hast mir gezeigt, dass Menschen nie zu verstehen sind. Sie sind … gut und schlecht, alles zusammen. Ich habe das nicht sehen wollen. Ich wünschte, ich müsste es nicht sehen. Aber dann warst du da und ich sehe dich immerzu.« Er nahm ihr Gesicht in die Hände. Seine Nasenspitze berührte ihre. »Es würde keinen Unterschied machen, ob du vom Tiefen Licht gesegnet und dazu bestimmt wärst, ein Totenlicht zu tragen oder nicht. Diese Eigenschaft an dir kommt mir jetzt am unbedeutendsten vor.«
    Sie atmete tief durch. Derselbe Mercurin, der sie eben noch hatte töten wollen. Und es dieses Mal auch beinahe geschafft hatte. Sie konnte jetzt nicht darüber nachdenken. Nicht jetzt. »Was hat denn jetzt überhaupt noch Bedeutung …«
    Er legte die Fingerspitzen an ihren Mund.
    Hel küsste ihn, und sie klammerten sich aneinander wie an die letzte Klippe einer Welt, die vom Meer verschluckt wird, und die Gedanken verstummten endlich wieder.

Hellesd î m
    H el schlief. Zum ersten Mal seit Monaten hatte sie keine Träume, keine Visionen. Sie folgte weder Karat durch die Silbernen Steppen noch sah sie Mercurin. Als sie erwachte, war es

Weitere Kostenlose Bücher