Sturmjäger von Aradon - Magierlicht - Nuyen, J: Sturmjäger von Aradon - Magierlicht
aber sie hörte sich selbst kaum. Woher nahm sie die Kraft? Woher die Zuversicht? Waren die Elfen nicht immer da gewesen, wussten sie nicht besser Bescheid? Sie hatten die Menschen geschaffen, sagten sie. Beobachteten sie seit Jahrtausenden. Wie konnte Hel behaupten, dass die Elfen sich irrten und sie recht hatte?
Die Stimmen wiederholten ihre Zweifel zischelnd und fauchend wie Echos ihrer Gedanken.
»Menschen sind nicht nur schlecht«, sagte sie mit aller Überzeugung, die sie aufbringen konnte. Meister Palairon irrte durch ihren Kopf. Olowain. Mercurin, der sie liebte und dennoch das Schiff angegriffen hatte. Die Elfen wussten, woran sie dachte, und knurrten vor Genugtuung. Und doch fuhr sie fort: »Ihr wisst, wie die Menschen sich verhalten. Ihr wisst es besser als ich. Aber eins könnt ihr nicht: wie ein Mensch fühlen. Ich fühle, dass Menschen lieben können, dass sie gut sein wollen und füreinander da sind, dass sie Schuld kennen und verzeihen und –«
»Worte! Dumme Worte«, keiften die Elfen. Dann wogte ein plötzliches Schweigen durch die Dunkelheit; ihre Atemlosigkeit schien auch Hel alle Luft zu rauben. Die Gestalten glitten zur Seite, öffneten den Kreis um sie. In der blauen Tiefe wurde ein blass erleuchteter Körper sichtbar. Hel spürte einen Aufschrei in ihrer Kehle kratzen. Nova!
Er lag wie tot auf der Erde, so unendlich bleich im schwachen Schimmer.
»Nova –«
»Tot«, hauchten die Elfen. Langsam begannen sie um Hel und Nova zu schleichen. Die Distanz zwischen ihnen schrumpfte einfach fort, bis er genau vor ihr lag. Hel zitterte unkontrolliert. Das durfte nicht sein. Nicht Nova. Es durfte nicht …
»Getötet von Mercurin. Und tot deinetwegen …«
Hel wollte den Blick von ihm losreißen, die Elfen ansehen, aber es gelang ihr nicht. Sein weißes Gesicht.
»Wieso tut ihr das«, flüsterte sie erstickt.
»Wir … ahh, die Schuld lasssstet auf dir!«
Sie ballte die Fäuste. Konnte nichts sagen.
»Du kannsssst ihn … retten, wenn du wirklich recht hassst …«
Sie blickte auf. Keine Regung spiegelte sich auf den kalten Zügen der Elfen.
»Wir halten ihn … am Leben … ssssolange er bei unsss issst … aber er braucht ein Herz … ein Totenlicht könnte ihn noch retten!«
Die rankenumwachsenen Arme wiesen auf Hel. »Wenn du recht hassst und ihn wirklich liebssst, deinen Freund, deinen besssten Freund, dann schenke ihm das Totenlicht, dasss dir einssst dasss Leben zurückgab! Damalssss, in den Kauenden Klippen, deine Eltern, ein Häuflein Menschen, Flüchtlinge, Feiglinge, auf dem Weg insss Land der Verdammten … dassss Land hat sssie gefressssen, sssich dassss Leben zurückgenommen, nur du, kleine Hel, kleiner Funken, nur du stolpertessst direkt auf ein Totenlicht, dasss die Jahrhunderte über im Bett der Gebirge geschlummert hatte … dein Leben war schon vorbei, du hassst es nur geliehen, dem Totenlicht entliehen … die kleine Hel isssst längssst gestorben, du bissst nur noch die Trägerin des Totenlichtsss!«
Ihr Kopf hämmerte. War es das Totenlicht? Oder die Stimmen der Elfen? Hel konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, es war zu viel, zu viel. Die Stimmen sollten endlich still sein!
»Gib Nova dein Totenlicht, wenn du ihn wirklich liebssst! Wieso verdienst du esss mehr alsss er, den du liebssst? Liebssst du dich ssselbst doch mehr alsss ihn?«
»Nein«, schluchzte sie. Sie liebte sich selbst gar nicht! Sie war sich doch immer nur im Weg, den anderen im Weg. Aber trotzdem konnte sie sich nicht für Nova opfern. Das konnten die Elfen nicht ernsthaft von ihr verlangen. Es war unmöglich. Niemand konnte entscheiden, welches Leben mehr Wert hatte. Auch wenn sie sich für Nova, gegen sich selbst entschied – es wäre Mord, ein Menschenleben für ein anderes. Sie konnte eine solche Wahl nicht treffen.
»Und doch hassst du schon längsssst eine ssolche Wahl getroffen!«, keiften die Elfen hämisch. »Hassst du nicht die Magier getötet, ihr Leben gestohlen, um deine Freunde zu retten? Sssso sssind die Menschen! Über den Tod anderer lässst sssich leicht entscheiden, nur wenn es um den eigenen geht, flüchten sssie sssich in ihre tröstende, schöne, schäbige Moral!«
Hel konnte nichts erwidern. Wahrscheinlich stimmte es. Was erwarteten die Elfen denn von ihr? Sie war eben ein Mensch, verdammt, nicht mehr und nicht weniger!
»Essss gibt natürlich andere Mittel … deinen Freund insss Leben zurückzuholen …«
»Welche«, hauchte Hel. Sie war zu erschöpft, um
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