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Sturmjäger von Aradon - Magierlicht - Nuyen, J: Sturmjäger von Aradon - Magierlicht

Titel: Sturmjäger von Aradon - Magierlicht - Nuyen, J: Sturmjäger von Aradon - Magierlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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eines Totenlichts tatsächlich nichts weiter als ein Zufall. Es gab womöglich kein Geheimnis, keinen mysteriösen Grund, der die ganze Ratlosigkeit in ihrem Leben gerechtfertigt hätte. Ihre toten, unbekannten Eltern, ihre verlorene Kindheit, die ganze Wahrheit – all das trieb spurlos im schwirrenden Wandel der Welt davon wie das kleine Dorf am Fluss.
    Hel klammerte sich an die Geisterwesen. Sie musste sich damit abfinden. Für den Moment gab es keine Vergangenheit, die ihr verraten konnte, wer sie war und was sie tun sollte. Es gab nur eine Gegenwart. Alle Entscheidungen lagen allein bei ihr.
    Der Himmel wischte rauchgrau über sie hinweg. Das Land schien im regnerischen Glanz wie aus Stein gehauen. Es gab kaum Farben, nur noch Schattierungen zwischen Hell und Dunkel. Die Weite des Horizonts erzeugte ein Gefühl von Winzigkeit; die Entfernungen waren so unermesslich, dass sie vor Hels Auge schmolzen, bis alles nur noch wie ein kleines, flaches Wandbild aussah. Ganz allmählich schloss sie innerlich Frieden mit ihrer fehlenden Vergangenheit. Sie verabschiedete sich von den Eltern, an die sie keine Erinnerung mehr hatte. Sie war nicht mehr Hel, das heimatlose Mädchen, das von der Gönnerschaft anderer abhängig war, und sie wollte es auch nicht mehr sein. Merkwürdig, dachte sie, dass sie gerade jetzt, wo so vieles am Zerbrechen war, erwachsen werden musste. Aber vielleicht war das immer so.
    Es wurde kälter. Hel sah Gebirge am Horizont wachsen, die eher aus dem Himmel zu kommen schienen als aus der Erde. Ihre Gipfel verwischten mit dem wattigen Weiß der Wolken. War dies das Ende der Welt? Oder lag doch etwas jenseits dieser eisernen Mauer, etwas für Menschen Unerreichbares? Und machte es überhaupt einen Unterschied, wenn ohnehin nie ein Auge erblicken würde, was die letzten Klippen der Erde verbargen?
    Diese Gedanken gingen Hel durch den Kopf, während sie den eisigen Fronten entgegenflog. Sie hätte über das Totenlicht nachdenken sollen, das sie doch unmöglich in der schieren Weite dieser Eiswelt finden konnte, und daran, wie es weitergehen würde, falls sie es tatsächlich bekam. Dann hätte Nova sein Leben zurück – aber auch die Last, ein Totenlicht zu tragen. Mercurin und die anderen Druiden würden versuchen, ihn zu töten. Und sie würden ihn überall finden, durch die Verbindung der Totenlichter. Konnte sie Nova für immer vor Mercurin beschützen? Wie würde Nova überhaupt umgehen mit der Macht eines Totenlichts? Egal wie Hel es drehte und wendete: Letztendlich kam sie nicht um eine Entscheidung herum. Ihre Wahl musste fallen – zwischen Mercurin und ihrem Gewissen. Zwischen Nova und dem, was am sichersten für den Rest der Welt war. Sie musste allein zu einer Antwort kommen, hier konnte sie niemandem vertrauen … denn wer konnte ihr schon sagen, wie sie ein Leben gegen ein anderes, einen Glauben gegen den anderen abwägen sollte?
    Noch blieb ihr ein wenig Zeit. Sie ließ ihren Blick über die mächtigen Schneegebilde schweifen, das blendende Weiß, das tiefe, kalte Blau der Schatten und das Wabern der Himmelslichter. Immer kälter, immer stummer wurde alles. Und hier war das Ende der Welt, dachte sie. Wiederholte nur diesen Gedanken. Das Ende. Das Ende. Die endlose Leere saugte sie in sich auf, bis Hel selbst nur noch Eis war, kühl und farblos, ein wirbelndes Schneekorn im ewigen Tanz des Lebens.

Geschwister
    S araide stand auf einer windigen Anhöhe und blickte in den Wald hinab, der sich wie ein Meer vor ihr erstreckte. Das Laub der Bäume hatte sich gefärbt; goldene, blutrote und dunkle, fast violette Tupfen rauschten durcheinander. Ein Stoß wirbelnder Ahornblätter stob ihr entgegen. Saraide hob die Hände und fing ein paar auf. Sie vergrub das Gesicht darin, atmete tief ein. Dieser Duft! Es wunderte sie, dass die schwere Süße des Laubes sie glücklich und traurig zugleich machen konnte. Sie öffnete die Hand und ließ die Blätter weiterfliegen. Es war wohl die Schönheit kurz vor allen Verfall und Sterben, die sie seltsam entzückte.
    Die Blätter flogen davon, trudelnd wie Spatzen mit gebrochenen Flügeln. Saraide blickte ihnen nach, ließ dann den Blick durch das herbstliche Land schweifen. Hier war sie wieder: im Alten Reich. Ihre Heimat. Ein wohliges Gefühl durchglitt sie. Endlich wieder Leben und Bewegung, nach all den Monaten im toten Land der Magier.
    Alle waren sie ins Alte Reich zurückgekehrt: ihre beiden Brüder, der Ise mit dem Totenlicht, die Magierschaft und

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