Sturmkaempfer
liegt neben dem Shijhe-Tempel. Danach gehen wir nach Norden.«
17
Koezh Vukotic betrachtete die Leuchtfeuer auf den Mauern im Kampf gegen den unablässigen Wind. Die Flammen ließen schwache Schatten über die glitzernden Kopfsteine von Darabans Straßen tanzen, aber sie kamen in der flüssigen Dunkelheit, die sich auf die Stadt herabgesenkt hatte, nicht weit. Die Monde blieben hinter ausladenden Wolken verborgen. Er mochte es, wenn Alterrs Auge nicht zusehen konnte.
Aber die Rufe und Schreie dort draußen, das Klirren von Eisen und das Donnern der Hufe – all diese Geräusche gehörten zu einem anderen Leben, stammten aus einer Zeit, in der er wirklich lebendig gewesen war. Die langen Jahre des Fluches waren eine unbestimmte Pein, deutlich von dem stechenden Schmerz der Jahre seines sterblichen Lebens abgehoben – so wenige es auch waren. Selbst wenn sie im Vergleich zu den langen Jahren, die nun folgten, wenig mehr als Sekunden waren, brannte ihr Feuer noch immer heiß.
Dort draußen dachten die Männer an ihre Frauen und Kinder, während sie sich auf den Tod vorbereiteten. Sie dachten lächelnd an die vergangene Zeit zurück und hofften, beteten um einige weitere Jahre, gleichgültig wie kalt und rau das Leben in den Verbotenen Landen sein mochte.
Es machte ihn krank, dass seine Leute im Winter sterben würden.
Dieser war schon lange eingezogen, anhaltend und harsch und brutal, und er glaubte, dass dieser Angriff auf einen Krann zurückging, der unbedingt seinen Wert beweisen wollte. Lord Cytt hatte nur aus Angst vor einem unglücklichen Unfall – nun, da Lord Styrax’ eigener Sohn volljährig war – mitten im Winter einen Marsch in die Verbotenen Lande gewagt. Er versuchte offensichtlich, Lord Styrax’ großen Sieg hier nachzuahmen.
Vukotic stellte sich zehntausend Mann vor, die über einen trügerisch gefrorenen Boden liefen, Finger und Zehen blau und faulend, voller Erfrierungen und toten Gewebes, lang bevor sie diese Mauern erreicht hatten. Und die in den Straßen lauernden Schatten würden ihr Leid noch verstärken: Leuchtende Augen und schräges Lächeln, eine bleiche Haut, die die Kälte des Winters kaum spürte, blitzten in grotesker Vorfreude auf das kommende Gemetzel immer wieder auf.
Er konnte nun spüren, wie sich seinesgleichen durch die Straßen und Gassen bewegte, witternd, den Geruch des ersten Blutes in der Luft schmeckend. Viele waren nah genug, dass er sie einzeln wahrnehmen konnte, weitere befanden sich am Rand seines Geistes, und als sie seine Anwesenheit spürten, baten sie um die Erlaubnis, ebenfalls teilzunehmen.
Er ließ sie selten mitmachen – er wollte, dass sie so wenig mit seinen Bürgern zu tun hatten wie möglich. Aber sie würden dennoch immer dort am Rand sein. Die meisten waren schlimmer als Tiere, wunderschöne, jedoch verkommene Dämonen, die sich von denen ernährten, die sie nun schützen würden – denn dies war etwas anderes. Dieser Kampf hatte nichts mit den Bewohnern dieser Stadt zu tun, und Vukotic sah keinen Grund, warum sie mehr als sonst üblich leiden sollten.
Als er sich vom Fenster abwandte, erklang in abstoßender Vertrautheit ein lüsterner Jubel. Er stützte sich auf dem Tisch ab und hob einen Fuß, um an dem schwarzen Kettengeflecht zu zupfen.
Es war Jahre her, dass er seine Rüstung zum letzten Mal angelegt hatte und die Lederteile rieben an der Haut, die nur an die feinste Seide gewöhnt war. Der Fluch schenkte ihm gewaltige Kraft und Ausdauer, aber seine Sinne waren ebenso verstärkt. Schmerz hatte er gelernt zu ertragen. Seine vielen Tode hatten ihm genug Gelegenheit zum Üben verschafft.
Nun fühlte es sich etwas besser an, also setzte sich Vukotic auf den festen Lederstuhl und schob auf dem Walnussholztisch vor sich einen Stapel Papiere beiseite, die seiner Aufmerksamkeit harrten. Jetzt war keine Zeit für Verwaltungsangelegenheiten, nicht einmal für die dringenste, den Streit zwischen niederen Adligen – er hoffte insgeheim, der eine oder andere würde in der kommenden Schlacht sterben. Das mochte zwar keine menschliche Lösung sein, aber es würde auch kaum jemand auf die Idee kommen, einem Vampir übertriebenes Mitgefühl vorzuwerfen.
Sein Blick wanderte durch den Raum und blieb an dem goldenen Gespinst hängen, das nun sein Bücherregal umgab. Die Haushälterin hatte in Sachen der Ausschmückung freie Hand, und jedes Mal, wenn er zurückkehrte, sah der Raum anders aus. Diesmal hatte sie, vielleicht um den harten Winter
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