Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker
ich Politik, Sitten und Gebräuche des Landes studiert…«
» Den Krieg verhindern?«, fragte ihr Vater. » Es ist unmöglich, den Krieg zu verhindern. Nur das Versprechen, eine Tochter aus königlichem Geblüt nach Hallandren zu schicken, hat ihn bisher vereitelt, und indem ich Siri geschickt habe, habe ich uns noch ein wenig Zeit verschafft. Und… vielleicht habe ich sie sogar in Sicherheit geschickt, selbst wenn der Krieg aufflammt. Vielleicht werden sie ihre Blutlinie so sehr achten, dass sie Siri am Leben lassen– zur Sicherheit, falls der Erbe, den sie austrägt, sterben sollte.« Er wurde kühl. » Ja«, fuhr er fort, » vielleicht ist es nicht Siri, um die wir uns Sorgen machen sollten, sondern…«
Sondern wir selbst, beendete Vivenna den Satz stumm. Sie war nicht mit der gesamten Kriegsplanung ihres Vaters vertraut, aber sie wusste genug. Der Krieg würde für Idris niemals vorteilhaft ausgehen. In einem Kampf mit Hallandren gab es kaum Aussicht auf einen Sieg. Dieser Kampf würde sich für das Volk von Idris und dessen Lebensweise als katastrophal erweisen.
» Vater, ich…«
» Bitte, Vivenna«, sagte er leise. » Ich will nicht mehr darüber reden. Geh jetzt. Wir werden uns später unterhalten.«
Später. Je weiter Siri sich von Idris entfernte, desto schwerer war es, sie zurückzuholen. Aber Vivenna stand auf. Sie war gehorsam; dazu war sie erzogen worden. Das war eine der Eigenschaften, die sie seit jeher von ihrer Schwester unterschieden hatte.
Sie verließ das Arbeitszimmer ihres Vaters, schloss die Tür hinter sich, ging durch die hölzernen Palastkorridore und tat so, als würde sie weder die neugierigen Blicke sehen noch das Flüstern hören. Sie begab sich zu ihrem Zimmer– das klein und kahl war–, setzte sich aufs Bett und legte die Hände in den Schoß.
Sie teilte die Einschätzungen ihres Vaters keineswegs. Sie hätte etwas bewirkt. Sie hätte die Braut des Gottkönigs werden sollen. Das hätte ihr Einfluss am Hof verschafft. Jedermann wusste, dass der Gottkönig der Politik seiner Nation sehr fern stand, und deshalb hätte seine Frau sicherlich bei der Verteidigung der Interessen ihres eigenen Volkes eine wichtige Rolle spielen können.
Und ihr Vater hatte diese Möglichkeit weggeworfen?
Er muss wirklich glauben, dass nichts mehr die Invasion aufhalten kann. Das machte die Entsendung von Siri bloß zu einem weiteren politischen Manöver, das einen Zeitgewinn bringen sollte. So hatte Idris es schon seit Jahrzehnten gehalten. Aber wenn die Opferung einer königlichen Tochter so wichtig war, dann hätte Vivenna diese Rolle spielen müssen. Es war stets ihre Aufgabe gewesen, sich auf die Heirat mit dem Gottkönig vorzubereiten. Nicht die von Siri oder Fafen, sondern die von Vivenna.
Sie war nicht dankbar dafür, dass sie gerettet worden war. Und sie hatte nicht das Gefühl, dass sie Idris besser diente, indem sie in Bevalis blieb. Falls ihr Vater sterben sollte, wäre Yarda gerade in Kriegszeiten viel besser als Vivenna dazu geeignet, das Land zu regieren. Außerdem war Ridger– Vivennas jüngerer Bruder– schon seit Jahren als Thronfolger ausersehen.
Sie war aus keinem vernünftigen Grund verschont worden. In gewisser Weise schien es ihr sogar eine Bestrafung zu sein. Sie hatte zugehört, sich vorbereitet, gelernt und geübt. Alle sagten, dass sie perfekt war. Warum also war sie nicht gut genug, das zu tun, wozu sie ausgebildet worden war?
Darauf fand sie keine passende Antwort. Sie konnte nur dasitzen, die Hände in den Schoß legen, sich ärgern und der unangenehmen Wahrheit ins Gesicht sehen. Ihr Lebenssinn war ihr gestohlen und auf eine andere Person übertragen worden. Jetzt war sie überflüssig. Nutzlos.
Unwichtig.
» Was hat er sich dabei bloß gedacht?«, stieß Siri hervor. Sie hing halb aus dem Fenster der Kutsche, die über die holperige Straße dahinfuhr. Ein junger Soldat marschierte neben dem Gefährt her und wirkte im nachmittäglichen Licht, als sei ihm unbehaglich zumute.
» Also wirklich«, fuhr Siri fort. » Er schickt mich zum König von Hallandren. Das ist doch verrückt, oder? Du hast bestimmt auch schon gehört, was ich so mache. Ich laufe weg, wenn keiner zuschaut, ich gehe nicht zum Unterricht, ich werde wütend. Um der Farben willen!!«
Der Soldat sah sie aus den Augenwinkeln heraus an, aber sonst zeigte er keinerlei Reaktion. Siri war es egal. Sie schrie nicht ihn an, sie schrie einfach nur. Sie hing gefährlich weit aus dem Fenster, spürte
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