Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker
durchschnittlich zu wirken. Genauso klug wie alle anderen auch. Dann wird jedermann annehmen, dass er Euch ohne große Anstrengungen besiegen kann.«
Siri nickte. » Das klingt nach idrischer Philosophie.«
» Ihr stammt von uns ab«, sagte Lichtsang. » Oder wir von Euch. Wie dem auch sei, wir sind einander ähnlicher, als unser äußeres Erscheinungsbild es vermuten lässt. Was ist die idrische Philosophie der äußersten Schlichtheit anderes als ein Mittel, sich von Hallandren abzugrenzen? All das Weiß, das Euer Volk trägt, hebt Euch auf nationaler Ebene hervor. Ihr verhaltet Euch wie wir, und wir verhalten uns wie Ihr– wir tun das Gleiche, aber auf verschiedenen Wegen.«
Sie nickte langsam.
Er lächelte. » Oh, und noch eines– bitte, bitte verlasst Euch nicht zu sehr auf mich. Ich meine das ernst. Ich werde Euch keine große Hilfe sein. Wenn Eure Pläne sich zuspitzen– wenn alles im letzten Augenblick schiefläuft und Ihr in Gefahr geratet–, solltet Ihr nicht zu mir kommen. Ich würde Euch enttäuschen. Das kann ich Euch in aller Aufrichtigkeit und von ganzem Herzen versprechen.«
» Ihr seid ein sehr seltsamer Mann.«
» Ich bin das Produkt der Gesellschaft, in der ich lebe«, sagte er. » Und da meine Gesellschaft die meiste Zeit nur aus mir selbst besteht, mache ich Gott dafür verantwortlich. Ich wünsche Euch einen guten Tag, meine Königin.«
Mit diesen Worten schlenderte er zurück zu seiner Loge und winkte Siris Dienerinnen– die sie besorgt beobachtet hatten– zu, damit sie sich ihr wieder nähern konnten.
Kapitel 28
D as Treffen ist vereinbart, Herrin«, sagte Zham. » Die Männer sind sehr neugierig. Eure Arbeit in T’Telir spricht sich immer mehr herum.«
Vivenna war sich nicht sicher, was sie davon halten sollte. Sie nippte an ihrem Fruchtsaft. Die lauwarme Flüssigkeit war verführerisch lecker, auch wenn sich Vivenna dazu etwas idrisches Eis gewünscht hätte.
Zham sah sie aufmerksam an. Der kleine Idrier war Denths Nachforschungen zufolge vertrauenswürdig. Seine Behauptung, zu einem Leben als Verbrecher gezwungen worden zu sein, war allerdings ein wenig übertrieben. Er füllte eine Nische in der hallandrischen Gesellschaft aus, indem er als Bindeglied zwischen den idrischen Arbeitern und den verschiedenen kriminellen Elementen diente.
Überdies war er anscheinend ein strammer Patriot, obwohl er dazu neigte, seine eigenen Landsleute auszubeuten, vor allem, wenn sie neu in der Stadt waren.
» Wie viele werden an dem Treffen teilnehmen?«, fragte Vivenna, während sie den Verkehr auf der Straße von der Terrasse des Speiselokals aus beobachtete.
» Über hundert, Herrin«, sagte Zham. » Ich verspreche, dass sie alle unserem König treu ergeben sind. Und sie alle sind einflussreiche Männer– zumindest so einflussreich, wie Idrier in T’Telir sein können.«
Denth zufolge bedeutete das, dass sie Macht in der Stadt ausübten, weil sie billige idrische Arbeitskräfte beschaffen und die Meinung der unterprivilegierten idrischen Massen beeinflussen konnten. Es waren Männer, die– wie Zham– von den ausgewanderten Idriern lebten. Sie hatten eine seltsame Zwitterstellung inne. Bei der unterdrückten Minderheit genossen sie großes Ansehen, aber ohne die Unterdrückung wären sie machtlos.
Wie Lemex, dachte sie, der meinem Vater gedient hat und ihn sogar zu achten und zu lieben schien, während er gleichzeitig alles Gold gestohlen hat, das er in die Finger bekam.
Sie lehnte sich zurück. Ihre weiße Bluse und der lange Plisseerock kräuselten sich im Wind. Sie tippte gegen den Rand ihres Bechers, und sofort goss ihr ein Kellner Saft nach. Zham lächelte und nahm ebenfalls noch etwas Saft. In diesem feinen Lokal wirkte er ziemlich fehl am Platze.
» Wie viele gibt es hier wohl?«, fragte sie. » Ich meine Idrier.«
» Etwa zehntausend.«
» So viele?«
» In den tiefer gelegenen Gehöften gibt es viele Probleme«, erklärte Zham und zuckte die Schultern. » Manchmal ist es schwer, in den Bergen zu leben. Die Ernte fällt aus, und was hat man dann noch? Dem König gehört das Land, also kann man es nicht verkaufen. Aber man muss seine Steuern bezahlen…«
» Im Fall einer solchen Katastrophe kann man doch ein Bittgesuch einreichen«, wandte Vivenna ein.
» Ach, Herrin, die meisten dieser Menschen leben einige Wochenreisen vom König entfernt. Sollten sie wirklich ihre Familien zurücklassen, um eine Eingabe zu machen, wenn die Gefahr besteht, dass ihre Lieben in den
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