Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker
und es war ihr gleichgültig. » Ich hasse es wirklich. Ich habe dieses Volk schon immer gehasst. Es hat mir die Kindheit geraubt. Ich musste mich vorbereiten. Musste eine Königin werden. Musste bereit sein, seinen König zu heiraten. Alle haben gesagt, er sei unheilig und ein Häretiker. Aber ich war dazu ausersehen, mit ihm zu schlafen!
Ich hasse diese ganze Stadt mit all ihren Farben und Göttern! Ich hasse die Tatsache, dass sie mir mein Leben gestohlen und von mir verlangt hat, alles hinter mir zu lassen, was ich je geliebt habe! Ich hasse die quirligen Straßen, die beruhigenden Parkanlagen, den Handel und das erstickende Wetter.
Und vor allem hasse ich die Anmaßung der Einwohner. Sie haben ihm vor zwanzig Jahren diesen Vertrag aufgezwungen. Sie haben mein Leben kontrolliert. Sie haben es dominiert. Sie haben es ruiniert. Und jetzt haben sie meine Schwester.«
Sie zog die Luft durch ihre zusammengebissenen Zähne ein.
» Ihr werdet Eure Rache bekommen, Prinzessin«, flüsterte Denth.
Sie sah ihn an. » Ich will ihnen wehtun, Denth. Bei dem Angriff heute ging es nicht darum, ein rebellisches Element zu unterdrücken. Die Hallandrener haben diese Soldaten ausgesandt, damit sie töten. Damit sie die Armen töten, die sie selbst geschaffen haben. Wir werden verhindern, dass sie so etwas noch einmal tun können. Es ist mir egal, was es mich kostet. Ich habe es satt, hübsch und nett zu sein und jede Prahlerei zu vermeiden. Ich will etwas unternehmen.«
Denth nickte. » In Ordnung. Wir werden unsere Strategie ändern und unsere kleinen Angriffe schmerzhafter machen.«
» Gut«, sagte sie. Sie schloss die Augen, fühlte sich enttäuscht und wünschte sich, sie wäre stark genug, um all diese Gefühle zu vermeiden. Aber das war sie nicht. Sie hatte sie zu lange in sich genährt. Das war das Problem.
» Es ging nie um Eure Schwester, oder?«, fragte Denth. » Ihr seid nicht nur ihretwegen hergekommen.«
Sie schüttelte den Kopf und hielt die Augen noch immer geschlossen.
» Warum dann?«
» Ich bin mein ganzes Leben lang ausgebildet worden«, flüsterte sie. » Ich war diejenige, die sich opfern sollte. Als Siri an meiner Stelle losgezogen ist, bin ich zu einem Nichts geworden. Ich musste herkommen und wieder jemand werden.«
» Aber Ihr habt gesagt, dass Ihr Hallandren schon immer gehasst habt«, sagte er und klang verwirrt.
» Ich habe es gehasst. Und ich hasse es noch immer. Deshalb bin ich hier.«
Er schwieg eine Weile, dann sagte er: » Ich glaube, das ist zu kompliziert für einen einfachen Söldner.«
Vivenna öffnete die Augen. Sie war sich nicht sicher, ob sie es selbst verstand. Beständig hatte sie ihren Hass genährt und ihn in ihrer Geringschätzung Hallandrens gezeigt. Nun stand sie ihrem Hass gegenüber. Sie gestand ihn vor sich selbst ein. Irgendwie konnte Hallandren zur gleichen Zeit abscheulich und verführerisch sein. Es war, als ob… als ob sie gewusst hätte, dass sie das, was ihr Leben zerstört hatte, erst dann verstehen konnte, wenn sie es mit eigenen Augen sah.
Und nun verstand sie es. Wenn ihr Hauch eine Hilfe war, dann würde sie ihn einsetzen. Genau wie Lemex. Genau wie diese Bandenführer. Sie war nicht darüber erhaben. Sie war es nie gewesen.
Sie bezweifelte, dass Denth es verstehen würde. Stattdessen deutete Vivenna mit dem Kopf in Juwelchens Richtung. » Was macht sie da?«
Denth drehte sich um. » Sie näht einen neuen Muskel ein«, sagte er. » Einer an seiner Seite wurde durchtrennt. Muskeln arbeiten nicht richtig, wenn man sie bloß zusammennäht. Deshalb muss sie das ganze Ding ersetzen.«
» Mit Schrauben?«
Denth nickte. » Sie werden in den Knochen gedreht. Das geht ganz gut. Es ist nicht perfekt, aber es reicht. Bei einem Leblosen kann keine Wunde je perfekt behoben werden, auch wenn einige durchaus verheilen. Man näht sie einfach wieder zusammen und pumpt sie mit frischer Alkohollösung voll. Wenn man sie zu oft repariert, funktionieren sie allerdings nicht mehr richtig, und man braucht einen weiteren Hauch, um sie in Gang zu halten. Dann ist es oft das Beste, einen neuen Körper zu kaufen.«
Von einem Ungeheuer gerettet. Vielleicht war sie deshalb so entschlossen, ihren Hauch einzusetzen. Sie sollte eigentlich tot sein, aber Klump hatte sie vor diesem Schicksal bewahrt. Ein Lebloser. Sie verdankt ihr Leben etwas, das eigentlich nicht existieren durfte. Schlimmer noch: Wenn sie tief genug in sich hineinschaute, verspürte sie sogar verräterisches
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