Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker
Vascher zu, » aber ich weiß, dass Idris diesen Krieg nicht gewinnen kann. Wir sollten alles in unserer Macht Stehende tun, um diesen Konflikt zu vermeiden, und ihn keinesfalls schüren.« Sie spürte eine Träne auf der Wange, und ihr Haar war hellblond geworden. » Ihr könnt es sehen. Ich… habe mich nicht mehr so in der Gewalt, wie es einer Prinzessin und Anhängerin Austres eigentlich zukommen sollte. Ich bin eine Schande für euch, aber mein Versagen darf euch nicht in den Untergang führen. Die Hallandrener hassen uns nicht. Sie nehmen uns kaum wahr. Ich weiß, dass das enttäuschend ist, aber wenn ihr die Aufmerksamkeit durch Aufstände und Zerstörungen auf euch lenkt, dann werden sie nur umso wütender auf unsere Heimat sein.«
» Also sollen wir uns einfach auf die andere Seite schlagen?«, fragte der jüngere Mann. » Sollen wir sie auf uns herumtrampeln lassen? Was macht es aus, wenn sie es unabsichtlich tun? Auch so werden wir zerschmettert.«
» Nein«, wandte Vivenna ein. » Es muss einen anderen Weg geben. Eine Idrierin ist jetzt ihre Königin. Wenn wir ihnen etwas Zeit lassen, werden sie ihre Vorurteile gegen uns überwinden. Wir müssen all unsere Kraft jetzt darauf verwenden, sie von einem Angriff abzuhalten!«
» Eure Worte ergeben einen Sinn, Prinzessin«, sagte der ältere Mann mit der Kappe. » Aber– bitte vergebt mir meine harten Worte– uns hier in Hallandren fällt es schwer, noch etwas für Idris zu empfinden. Unsere Heimat hat uns im Stich gelassen, noch bevor wir weggezogen sind, und jetzt können wir nicht mehr zurückgehen.«
» Wir sind Idrier«, sagte einer der anderen. » Aber… nun ja, unsere Familien hier sind uns wichtiger als alles andere.«
Noch vor einem Monat wäre Vivenna von diesen Worten beleidigt gewesen. Doch das Leben auf der Straße hatte ihr beigebracht, was die Verzweiflung mit einem Menschen anstellen konnte. Was bedeutete Idris für sie, wenn ihre Familien verhungerten? Dafür konnte sie diese Männer nicht tadeln.
» Glaubt ihr etwa, es geht euch besser, wenn Idris erobert ist?«, fragte Vascher. » Wenn es Krieg gibt, wird man euch noch schlechter behandeln als jetzt.«
» Und es gibt wirklich andere Möglichkeiten«, sagte Vivenna. » Ich weiß von eurer schlimmen Lage. Wenn ich zu meinem Vater zurückkehre und sie ihm erkläre, finden wir vielleicht eine Möglichkeit für euch, nach Idris zurückzukehren.«
» Nach Idris zurückkehren?«, fragte einer der Männer. » Meine Familie wohnt schon seit fünfzig Jahren hier in Hallandren!«
» Ja, aber solange der König von Idris lebt, habt ihr einen Verbündeten«, sagte Vivenna. » Wir können eure Lage auf diplomatischem Wege verbessern.«
» Dem König sind wir egal«, sagte ein anderer traurig.
» Mir aber nicht«, erwiderte Vivenna.
Und das stimmte. Sie empfand es als seltsam, aber in gewisser Weise fühlte sie sich den Idriern in dieser Stadt stärker verbunden als denen daheim in Idris. Sie verstand die Männer.
» Wir müssen einen Weg finden, die Aufmerksamkeit auf euer Leid zu lenken, ohne dabei gleichzeitig den Hass auf euch zu schüren«, sagte sie. » Und das wird uns gelingen. Wie ich schon sagte, ist meine Schwester mit dem Gottkönig höchstpersönlich verheiratet. Vielleicht kann er durch sie dazu überredet werden, den Armenvierteln zu helfen– nicht weil er Angst vor der Gewalt hat, die unser Volk ausüben könnte, sondern weil er Mitleid für eure Lage empfindet.«
Noch immer kniete sie voller Scham vor den Männern. Sie schämte sich, weil sie weinte und weil diese Leute sie in dieser unschicklichen Kleidung und mit dem zerzausten kurzen Haar sahen. Sie schämte sich, weil sie so vollkommen versagt hatte.
Wieso ist mir das passiert?, dachte sie. Und das, obwohl ich so gut vorbereitet und so beherrscht war! Wie konnte ich so wütend werden, dass ich die Bedürfnisse meines Volkes missachtet habe, nur weil ich mich an Hallandren rächen wollte?
» Sie meint es ernst«, sagte einer der Männer schließlich. » Das will ich ihr gern zugestehen.«
» Ich weiß nicht«, sagte ein anderer. » Ich bin immer noch der Meinung, dass es zu spät ist.«
» Was habt ihr zu verlieren, wenn es wirklich so wäre?«, sagte Vivenna, die den Blick noch immer auf den Boden gerichtet hielt. » Denkt an die Leben, die ihr retten könnt. Ich verspreche euch, dass Idris euch nicht länger vergessen wird. Wenn ihr Frieden mit Hallandren schließt, werde ich dafür sorgen, dass ihr in unserer
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