Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker
bei Vollversammlungen des Rates, anstatt zu den kleineren Treffen zu gehen. So haben sie die Gelegenheit, alle Götter auf einmal zu sehen.«
Vivenna drehte sich um und warf einen Blick über die Menge. Sie vermutete, dass es auch mit den Gerüchten zu tun hatte, die sie gehört hatte. Die Leute glaubten, das Pantheon der Götter werde auf dieser Versammlung Idris den Krieg erklären.
» Nanrovah argumentiert gut«, sagte sie, obwohl sie Schwierigkeiten hatte, ihn durch den Lärm der Menge zu verstehen. Die Zurückgekehrten besaßen offenbar Mitschriften, die ihnen durch Boten zugetragen wurden. Sie fragte sich, warum nicht jemand all diesen Menschen befahl, endlich still zu sein. Aber das war nicht die hallandrische Art. Dieses Volk liebte das Chaos. Oder zumindest liebte es die Gelegenheit, dazusitzen und miteinander zu plaudern, während gleichzeitig wichtige Ereignisse stattfanden.
» Nanrovah wird kaum beachtet«, sagte Vascher. » Inzwischen hat er zweimal seine Meinung zur selben Angelegenheit geändert. Jetzt fehlt es ihm an Glaubwürdigkeit.«
» Dann sollte er erklären, warum er wieder die Meinung geändert hat.«
» Ich weiß nicht, ob das sinnvoll wäre. Wenn die Menschen erfahren, dass sein Kind entführt wurde, würde es vielen noch mehr Angst machen. Sicherlich kämen sie zu dem Schluss, dass idrische Aufrührer dahinterstecken, egal was Nanrovah dazu sagt. Außerdem ist da noch der Stolz der sturen Hallandrener. Wenn er erwähnt, dass seine Tochter entführt und er dazu gezwungen wurde, seine Taktik zu ändern…«
Während er das sagte, beobachtete er die Loge des Gottkönigs. Susebron war noch nicht eingetroffen, aber sie hatten ohne ihn begonnen.
Auch Siri war noch nicht da. Das verärgerte Vivenna, denn sie hatte sich das Mädchen unbedingt ansehen wollen, wenn auch nur aus der Ferne.
Ich werde dir helfen, Siri. Dieses Mal wirklich. Der erste Schritt dazu ist die Verhinderung des Krieges.
Vascher schaute wieder hinunter in die Arena. Er lehnte am Geländer und wirkte angespannt.
» Was ist?«, fragte sie.
Er zuckte nur die Achseln.
Sie verdrehte die Augen. » Sag es mir.«
» Es gefällt mir nicht, Nachtblut so lange allein zu lassen«, meinte er.
» Was kann es denn schon anstellen?«, fragte Vivenna. » Wir haben es doch in den Schrank gesperrt.«
Er zuckte abermals die Achseln.
» Ich bin noch immer der Meinung, es hätte sehr verdächtig ausgesehen, wenn du ein fünf Fuß langes schwarzes Schwert in der Öffentlichkeit herumgetragen hättest«, sagte sie. » Und es ist auch nicht gerade hilfreich, dass dieses besagte Schwert Rauch ausstößt und in den Köpfen der Menschen herumspukt.«
» Es macht mir nichts aus, verdächtig zu erscheinen.«
» Mir schon«, erwiderte sie.
Vascher zog eine Grimasse, und sie glaubte bereits, er wollte noch etwas dazu sagen, aber er nickte nur. » Natürlich habt Ihr Recht«, meinte er. » Ich war noch nie gut darin, unauffällig zu sein. Denth hat mich deswegen oft aufgezogen.«
Vivenna zog die Stirn kraus. » Ihr wart Freunde?«
Vascher wandte sich ab und schwieg.
Bei Kalads Phantomen!, dachte sie enttäuscht. Irgendwann wird mir jemand in dieser verfluchten Stadt die ganze Wahrheit erzählen. Und dann werde ich vermutlich am Schock sterben.
» Ich will herausfinden, warum der Gottkönig so lange braucht«, sagte Vascher und verließ das Geländer. » Ich bin gleich wieder da.«
Sie nickte, und schon war er verschwunden. Vivenna beugte sich über das Geländer und wünschte, sie hätte ihren Sitz nicht aufgegeben. Früher hätte sie sich von dieser gewaltigen Menschenmenge erdrückt gefühlt, aber sie hatte sich so sehr an die geschäftigen Marktplätze gewöhnt, dass sie die vielen Leute als nicht mehr so einschüchternd empfand. Außerdem war da noch ihr Hauch. Einiges davon hatte sie in ihr Hemd gelegt, aber einen Teil hatte sie behalten– sie benötigte zumindest die Erste Erhebung, um die Tore zum Hof der Götter passieren zu können, ohne angehalten zu werden.
Durch ihren Hauch empfand sie das Leben so, wie ein gewöhnlicher Mensch die Luft empfand– immer da und immer kühl auf der Haut. Das Gefühl so vieler Menschen in so großer Nähe zu ihr war durchaus berauschend. So viel Leben, so viele Hoffnungen und Wünsche. So viel Hauch. Sie schloss die Augen, saugte ihn in sich auf und lauschte den Stimmen der Priester unter ihr.
Sie spürte Vascher herannahen, bevor er bei ihr war. Er hatte nicht nur eine ganze Menge Hauch in
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