Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker
Schwester gescheitert. Was soll ich tun? Ihn suchen? Ich weiß nicht einmal, wo ich anfangen soll.
Sie wandte den Blick von dem Gepäck ab. Versagen. An so etwas war sie aus ihrer Zeit in Idris nicht gewöhnt. Alles, was sie dort getan hatte, war richtig gewesen.
Vielleicht geht es genau darum, dachte sie und setzte sich. Um meinen Hass auf Hallandren. Um meinen Willen, Siri zu retten und ihren Platz einzunehmen. Als ihr Vater Siri ihr vorgezogen hatte, hatte sie zum ersten Mal in ihrem Leben das Gefühl gehabt, nicht gut genug zu sein. Sie war nach T’Telir gekommen, weil sie beweisen wollte, dass sie nicht versagt hatte. Schließlich war sie die makellose Vivenna.
In Hallandren hatte sie allerdings immer wieder erfahren müssen, dass sie das nicht war. Und jetzt, wo sie so oft gescheitert war, empfand sie es als schwierig, etwas zu unternehmen, denn dabei könnte sie wieder scheitern, und diese Aussicht war so erschreckend, dass es besser zu sein schien, nichts zu tun.
Das war die krönende Überheblichkeit in Vivennas Leben. Sie neigte den Kopf. Das war die Krone der Heuchelei, mit der sie ihr königliches Haar schmückte.
Du willst tüchtig sein?, dachte sie. Du willst lernen, wie du die Vorgänge um dich herum steuern kannst, anstatt bloß ein Spielball zu sein? Dann musst du lernen, mit dem Versagen umzugehen.
Es war erschreckend, aber es war die Wahrheit; das wusste sie. Vivenna stand auf und ging hinüber zu Vaschers Gepäck. Sie zog ein zerknittertes Oberhemd und eine eng anliegende Hose hervor. Vom Saum beider Kleidungsstücke hingen Bänder herab. Vivenna zog sie an. Vaschers Ersatzmantel folgte. Er roch nach seinem Träger.
Sie holte einige farbenfrohe Taschentücher daraus hervor. » Beschütze mich«, befahl sie dem Mantel und stellte sich vor, wie er jeden packte, der sie anzugreifen versuchte. Sie legte eine Hand auf den Ärmel des Hemdes.
» Auf Zuruf«, befahl sie, » werdet zu meinen Fingern und packt das, was ich ergreifen muss.« Sie hatte lediglich gehört, wie Vascher dieses Kommando mehrfach gebraucht hatte, und sie wusste noch immer nicht genau, wie sie sich das vorzustellen hatte, was das Hemd tun sollte. Vor ihrem inneren Auge sah sie, wie sich die Bänder um ihre Hände schlossen, denn so hatte sie es bei Vascher beobachtet.
Sie erweckte die Hose und gab ihr den Befehl, ihre Beine zu verstärken. Die Bänder zuckten und drehten sich. Vivenna hob zuerst den einen und dann den anderen Fuß, so dass sich die Fortsätze darumwickeln konnten. Nun stand sie sicherer, und die Hose schmiegte sich eng um ihre Beine.
Schließlich band sie sich das Schwert um, das Vascher ihr geschenkt hatte. Sie wusste noch immer nicht, wie sie es benutzen sollte, aber wenigstens konnte sie es inzwischen richtig halten. Sie hatte den Eindruck, dass sie es mitnehmen musste.
Dann verließ sie das Zimmer.
Lichtsang hatte selten eine Göttin weinen sehen.
» So sollte es nicht enden«, sagte Schamweberin und beachtete dabei nicht die Tränen, die ihr über die Wangen liefen. » Ich hatte doch alles unter Kontrolle.«
Der Kerker unter dem Palast des Gottkönigs war ein enger, vollgestellter Raum. Käfige, die wohl für Tiere vorgesehen waren, säumten beide Wände. Sie waren groß genug für eine Göttin. Lichtsang wusste nicht, ob das nur ein Zufall war.
Schamweberin schniefte. » Ich dachte, ich hätte die Priesterschaft des Gottkönigs auf meiner Seite. Wir haben doch zusammengearbeitet.«
Irgendetwas stimmt hier nicht, dachte Lichtsang und warf einen Blick auf die Gruppe der Priester, die an der Seite des Raumes nervös miteinander redeten. Llarimar saß in seinem eigenen Käfig rechts neben dem von Lichtsang und hielt den Kopf geneigt.
Lichtsang sah Schamweberin wieder an. » Wie lange schon?«, fragte er. » Wie lange hast du mit ihnen zusammengearbeitet?«
» Von Anfang an«, antwortete Schamweberin. » Ich sollte die Kommandolosungen einholen. Wir haben diesen Plan gemeinsam erarbeitet!«
» Warum haben sie sich dann gegen dich gewandt?«
Sie schüttelte den Kopf und schaute nach unten. » Sie haben behauptet, ich hätte meine Aufgabe nicht erfüllt und würde ihnen Informationen vorenthalten.«
» Stimmt das?«
Sie wandte den Blick ab; ihre Augen waren stark gerötet. Sie wirkte sehr seltsam, wie sie da in ihrer Zelle hockte: Eine wunderschöne Frau von göttlichen Proportionen, die ein zartes Nachthemd aus Seide trug und weinend auf dem Boden saß, umgeben von Gitterstäben.
Wir müssen
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