Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker
weg von hier, dachte Lichtsang. Er kroch zu den Stäben, die seinen Käfig von Llarimar trennten, und beachtete dabei die Schmerzen in seinem Oberschenkel nicht. » Huscher«, zischte er. » Huscher!«
Llarimar schaute auf. Er wirkte verzweifelt.
» Wie knackt man ein Schloss?«, fragte Lichtsang.
Llarimar blinzelte. » Was?«
Lichtsang deutete auf das Schloss und sagte: » Ich will es knacken. Vielleicht weiß ich auch schon, wie das geht, wenn ich meine Hände nur in die richtige Lage bringe. Ich habe noch nicht herausgefunden, warum ich ein so armseliger Schwertkämpfer bin. Aber ich kann es bestimmt, wenn mir bloß wieder einfällt, was dazu notwendig ist.«
Llarimar starrte ihn an.
» Vielleicht sollte ich…«, begann Lichtsang.
» Was ist los mit Euch?«, flüsterte Llarimar.
Lichtsang hielt inne.
» Was ist bloß los mit Euch?«, brüllte Llarimar und stand auf. » Ihr wart ein Schreiber, Lichtsang. Ein von allen Farben verfluchter Schreiber und kein Soldat! Kein Detektiv. Kein Dieb. Ihr wart der Buchhalter eines örtlichen Geldverleihers!«
Was?, dachte Lichtsang.
» Damals wart Ihr genauso ein Dummkopf, wie Ihr es heute seid!«, rief Llarimar. » Denkt Ihr denn niemals über das nach, was Ihr tun wollt, bevor Ihr einfach losprescht und es tut? Warum könnt Ihr nicht wenigstens hin und wieder innehalten und Euch fragen, ob Ihr ein völliger Narr seid oder nicht? Ich gebe Euch einen Hinweis! Die Antwort lautet für gewöhnlich: Ja!«
Entsetzt taumelte Lichtsang von den Gitterstäben zurück. Llarimar! Llarimar schrie.
» Und jedes Mal gerate ich zusammen mit Euch in Schwierigkeiten«, sagte Llarimar und wandte sich ab. » Nichts hat sich geändert. Ihr werdet zu einem Gott, und ich ende immer noch im Gefängnis!«
Der schwere Priester sackte zusammen, atmete heftig und schüttelte den Kopf in offenbarer Verzweiflung. Schamweberin starrte die beiden an. Genau wie die Priester.
Was finde ich so merkwürdig an ihnen?, dachte Lichtsang und versuchte seine Gedanken und Gefühle zu ordnen, als sich die Gruppe der Priester ihm näherte.
» Lichtsang«, sagte einer von ihnen und bückte sich neben dem Käfig des Gottes. » Wir brauchen Eure Kommandolosungen.«
Er schnaubte verächtlich. » Ich muss leider gestehen, dass ich sie vergessen habe. Ihr kennt ja meine Geistesschwäche. Welcher Narr würde sonst hier hereinstürmen und sich so einfach gefangen nehmen lassen?«
Er lächelte die Priester an.
Der Priester, der sich neben seinen Käfig gehockt hatte, seufzte und gab den anderen ein Handzeichen. Sie sperrten Schamweberins Gefängnis auf und zerrten sie daraus hervor. Sie schrie und kämpfte, und Lichtsang lächelte angesichts der Schwierigkeiten, die sie den Männern bereitete. Aber es waren sechs Priester, und schließlich hatten sie Schamweberin überwältigt.
Einer zog ein Messer hervor und schlitzte ihr die Kehle auf.
Der Schock traf Lichtsang wie eine körperliche Kraft. Er hatte die Augen weit aufgerissen, erstarrte und sah entsetzt zu, wie sich das rote Blut aus Schamweberins Kehle ergoss und ihr wunderbares Nachthemd befleckte.
Noch viel verwirrender war der Ausdruck von Panik und Schrecken in ihren Augen. In diesen wunderschönen Augen.
»Nein!«, schrie Lichtsang, hämmerte gegen die Gitterstäbe und streckte die Hände vergeblich nach ihr aus. Er spannte seine göttlichen Muskeln an, drückte sich gegen den Stahl und spürte, wie sein ganzer Körper erzitterte. Es war sinnlos. Auch ein vollkommener Körper vermochte sich keinen Weg durch unnachgiebigen Stahl zu bahnen.
» Ihr Bastarde!«, brüllte er. » Ihr von allen Farben verfluchten Bastarde!« Er kämpfte und schlug mit der Hand gegen die Stäbe, als Schamweberins Augen brachen.
Dann verblasste ihr Biochroma. Es wurde von einem lodernden Feuer zu einer einzelnen Kerze und erlosch schließlich ganz.
» Nein…«, sagte Lichtsang und sank betäubt auf die Knie.
Der Priester betrachtete ihn. » Also hat sie Euch tatsächlich etwas bedeutet«, sagte er. » Es tut mir leid, dass uns nichts anderes übrigblieb.« Er kniete nieder und fuhr in feierlichem Tonfall fort: » Wir hatten beschlossen, sie zu töten, damit Ihr begreift, dass wir es ernst meinen, Lichtsang. Ich kenne Euren Ruf und weiß, dass Ihr die Dinge für gewöhnlich auf die leichte Schulter nehmt. In vielen Situationen ist das genau die richtige Verhaltensweise. Aber jetzt müsst Ihr erkennen, wie gefährlich die Lage ist. Wir haben Euch gezeigt, dass wir zu
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