Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker
sagte das Schwert. Du darfst mich gern noch ein wenig bewundern, wenn du willst. Aber danach müssen wir schnell zum Ufer zurückkehren.
Vascher erwachte benommen.
Seine Handgelenke hatte man an einen Haken gebunden, der von der Decke des steinernen Raumes herabhing. Er bemerkte, dass das Seil jenes war, mit dem er die Dienerin gefesselt hatte. Es war völlig farblos geworden.
Alles um ihn herum war von eintönigem Grau. Bis auf seine kurze weiße Unterhose war er vollständig entkleidet worden. Er ächzte, und seine Arme fühlten sich taub an. Er war nicht geknebelt, aber er besaß keinerlei Hauch mehr– den letzten hatte er in dem Kampf verbraucht, als er den Mantel des zu Boden gegangenen Mannes erweckt hatte. Er keuchte nochmals auf.
In einer Ecke brannte eine Laterne. Neben ihr stand jemand. » So kehren wir beide zurück«, sagte Denth leise.
Vascher erwiderte nichts darauf.
» Ich schulde dir noch etwas für Arsteels Tod«, sagte Denth gelassen. » Ich will wissen, wie du ihn umgebracht hast.«
» In einem Duell«, antwortete Vascher mit krächzender Stimme.
» Du hast ihn nicht im Duell besiegt«, sagte Denth und trat auf ihn zu. » Das weiß ich.«
» Vielleicht habe ich mich angeschlichen und ihn von hinten erstochen«, sagte Vascher. » Das zumindest hatte er verdient.«
Denth versetzte ihm mit der flachen Hand eine Ohrfeige, unter der Vascher an dem Haken hin und her schwang. » Arsteel war ein guter Mann!«
» Früher einmal«, sagte Vascher und schmeckte Blut. » Früher einmal waren wir alle gute Männer, Denth. Früher.«
» Glaubst du, du kannst durch das, was du hier tust, all deine Taten wiedergutmachen?«, fragt Denth leise.
» Es ist immer noch besser, als Söldner zu werden«, erwiderte Vascher.
» Ich bin das, wozu du mich gemacht hast«, sagte Denth ruhig.
» Dieses Mädchen hat dir vertraut… diese Vivenna.«
Denth drehte sich um. Seine Augen lagen im Dunkeln, denn das Licht der Laterne reichte kaum bis zu seinem Gesicht. » Das sollte sie auch.«
» Sie hat dich gemocht. Und dann hast du ihren Freund getötet.«
» Die Dinge sind aus dem Ruder gelaufen.«
» Das tun sie bei dir immer.«
Denth hob eine Braue; sein Gesicht zeigte im schwachen Licht einen Ausdruck von Belustigung. » Bei mir laufen die Dinge also aus dem Ruder, Vascher? Bei mir? Wann habe ich zum letzten Mal einen Krieg angefangen? Wann habe ich Zehntausende abgeschlachtet? Du bist doch derjenige, der seinen engsten Freund verraten und die Frau getötet hat, die ihn geliebt hat.«
Vascher gab keine Antwort darauf. Welche Argumente konnte er vorbringen? Dass Schaschara hatte sterben müssen? Es war schon schlimm genug gewesen, dass sie die Kommandos preisgegeben hatte, mit denen man aus einem einzigen Hauch Leblose herstellen konnte. Was wäre geschehen, wenn die Möglichkeit, stählerne Dinge wie Nachtblut zu erwecken, in den Vielkriegen eingesetzt worden wäre? Was wäre geschehen, wenn untote Ungeheuer mit erweckten Schwertern nach Blut gedürstet hätten?
Doch nichts davon war für jemanden von Bedeutung, der zusehen musste, wie seine Schwester durch Vaschers Hand getötet wurde. Außerdem wusste Vascher, dass es um seine Glaubwürdigkeit nicht gut bestellt war. Er selbst hatte Ungeheuer erschaffen, die in jenem Krieg gekämpft hatten– zwar nicht mit erwecktem Stahl, aber sie waren dennoch tödliche Waffen gewesen.
» Ich habe Tonk Fah erlaubt, dich in die Finger zu bekommen«, sagte Denth und wandte sich wieder ab. » Er mag es, jemandem wehzutun. Das ist seine große Schwäche. Wir alle haben unsere Schwächen. Unter meiner Anleitung ist es ihm gelungen, sie auf Tiere zu beschränken.«
Denth hielt ein Messer hoch. » Ich habe mich immer gefragt, warum er so gern anderen Schmerzen zufügt.«
Die Morgendämmerung nahte. Vivenna warf das Laken zurück; sie konnte nicht schlafen. Sie war vollständig angezogen und zutiefst enttäuscht, doch den Grund dafür kannte sie nicht. Vermutlich ging es Vascher gut. Wahrscheinlich zechte er irgendwo.
Natürlich, er betrinkt sich, dachte sie trocken. Das sähe ihm doch ähnlich.
Noch nie war er die ganze Nacht fortgeblieben. Irgendetwas musste passiert sein. Ihre Bewegungen wurden langsamer, als sie ihren Gürtel umlegte, und sie schaute hinüber zu Vaschers Sack und den Kleidungsstücken darin. Alles, was ich seit meiner Abreise aus Idris versucht habe, ist schrecklich schiefgegangen, dachte sie. Ich bin als Revolutionärin, als Bettlerin und auch als
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