Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker
geplant hatten, Susebron zu töten? Würden sie uns einfach ziehen und fliehen lassen, wenn sie nicht ehrlich um die Sicherheit des Gottkönigs besorgt sind?
Sie sah Blaufinger in die Augen und bemerkte, wie er noch nervöser wurde. Sein Gesicht wurde blass, und sie wusste jetzt, was sich hier abspielte. » Wie fühlt es sich an, Blaufinger?«, fragte sie. » Du stammst aus Pahn Kahl, aber jedermann ist der Meinung, dass dein Volk fest zu Hallandren gehört. Die Pahn Kahl waren die ersten Siedler in diesem Land, aber es wurde ihnen abgenommen. Nun seid ihr nichts weiter als eine Provinz und ein Teil des Reiches eurer Eroberer.
Ihr wollt frei sein, aber euer Volk besitzt kein eigenes Militär. Also seid ihr nicht in der Lage, zu kämpfen und euch selbst zu befreien. Ihr werdet als zweitklassig angesehen. Aber wenn eure Unterdrücker in den Krieg ziehen, verschafft euch das vielleicht eine Möglichkeit, euer Joch abzuschütteln…«
Er begegnete ihrem Blick, dann schoss er aus dem Raum.
» Was im Namen aller Farben soll denn das?«, fragte Treledees.
Siri beachtete ihn nicht, sondern sah dem Gottkönig ins Gesicht. » Du hattest die ganze Zeit hindurch Recht«, sagte sie. » Wir hätten deinen Priestern trauen sollen.«
» Gefäß?«, fragte Treledees und kam zu ihr herüber.
» Wir können nicht in diese Richtung fliehen«, sagte Siri. » Blaufinger wollte uns in eine Falle locken.«
Der Hohepriester öffnete den Mund und wollte etwas entgegnen, doch sie hielt seinem Blick stand und wandelte die Farbe ihrer Haare zu einem tiefen, zornigen Rot. Blaufinger hatte sie verraten– die einzige Person, der sie vertraut hatte.
» Dann gehen wir zum Vordertor«, sagte Treledees und warf einen Blick auf den zusammengewürfelten Haufen aus Priestern und verwundeten Soldaten. » Wir werden versuchen, uns den Weg freizukämpfen.«
Es fiel Vivenna nicht schwer, den Ort zu finden, den der Bettler ihr genannt hatte. Das Gebäude– es handelte sich um eine Mietskaserne– war trotz der frühen Morgenstunde von Gaffern umstellt. Die Leute unterhielten sich im Flüsterton und redeten über Geister, Gespenster aus dem Meer und den Tod. Vivenna blieb am Rand der Menge stehen und versuchte herauszufinden, was ihre Aufmerksamkeit erregt hatte.
Die Docks befanden sich links von ihr; der Salzgeruch des Meeres war durchdringend. Die Elendsquartiere des Hafens, in denen viele Hilfsarbeiter lebten, bestanden aus einer kleinen Ansammlung von Hütten, die sich zwischen die Lagerhäuser und Schiffswerften gezwängt hatten. Warum sollte Vascher hierhergekommen sein? Er hatte doch dem Hof der Götter einen Besuch abstatten wollen. Sie erfuhr, dass es in dem Haus, vor dem die Menge zusammengelaufen war, einen Mord gegeben hatte. Die Menschen flüsterten von Gespenstern und Kalads Phantomen, aber Vivenna schüttelte nur den Kopf. Das war nicht das, was sie suchte. Sie musste…
Vivenna? Die Stimme war ganz schwach, aber deutlich hörbar. Vivenna erkannte sie.
» Nachtblut?«, flüsterte sie.
Vivenna, komm und hole mich.
Sie erzitterte. Sie wollte sich umdrehen und weglaufen. Schon der bloße Gedanke an das Schwert verursachte ihr Übelkeit. Doch Vascher hatte Nachtblut mitgenommen. Also befand sie sich tatsächlich am richtigen Ort.
Die Gaffer redeten von Mord. War Vascher derjenige, der ermordet worden war?
Plötzlich sorgte sie sich um ihn. Sie bahnte sich einen Weg durch die Menge und beachtete die Rufe nicht, die ihr empfahlen, sie solle nicht weitergehen. Vivenna schritt die Treppe hoch, betrat das Haus, passierte eine Tür nach der anderen. In ihrer Eile hätte sie beinahe diejenige übersehen, unter der schwarzer Rauch hervorquoll.
Sie erstarrte. Dann holte sie tief Luft, drückte die Tür auf und trat ein.
Der Raum war ungepflegt; Abfall lag auf dem Boden, und die Möbel waren wacklig und abgenutzt. Vier Leichen lagen auf dem Boden. Nachtblut steckte in einer von ihnen– in der Brust eines alten Mannes mit ledrigem Gesicht, der auf der Seite lag und die toten Augen weit aufgerissen hatte.
Vivenna!, rief Nachtblut fröhlich. Du hast mich gefunden. Ich bin so aufgeregt. Ich habe versucht, diese Männer dazu zu bringen, mich in den Hof der Götter zu tragen, aber die Sache ist nicht gut für sie ausgegangen. Der eine hat mich ein wenig aus der Scheide gezogen. Das ist prima, nicht wahr?
Sie fiel auf die Knie und fühlte sich elend.
Vivenna?, fragte Nachtblut. Das habe ich doch richtig gemacht, oder? Vara Treledees hat mich
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