Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker
Lichtsang. Warum habe ich sie nicht retten können? Warum habe ich sie nicht beschützen können?
Er weinte wieder. Seltsamerweise weinte noch jemand: der Mann in der Zelle neben ihm. Der Gottkönig. Susebron jammerte vor Enttäuschung und hämmerte gegen die Stäbe seines Käfigs. Aber er sagte kein Wort und schimpfte nicht einmal über seine Feinde.
Ich frage mich, warum, dachte Lichtsang.
Einige Männer näherten sich der Zelle des Gottkönigs. Es waren Männer aus Pahn Kahl, und sie trugen Waffen. Ihre Mienen waren finster.
Lichtsang kümmerte sich nicht weiter um sie.
Ihr seid ein Gott. Llarimars Worte klangen noch immer auffordernd in seinem Kopf. Der Hohepriester lag links von Lichtsang in seinem eigenen Käfig und hatte die Augen vor dem Schrecken um ihn herum geschlossen.
Du bist ein Gott. Für mich wenigstens.
Lichtsang schüttelte den Kopf. Nein. Ich bin ein Nichts! Kein Gott. Nicht einmal ein guter Mensch.
Für mich … bist du …
Wasser spritzte auf ihn. Schockiert warf Lichtsang den Kopf hin und her. Ferner Donner ertönte in seinem Kopf. Niemand sonst schien es zu bemerken.
Es wurde dunkel.
Was?
Er befand sich auf einem Schiff. Es schaukelte und schlingerte auf einem dunklen Meer. Lichtsang stand an Deck und versuchte, auf den glatten Planken das Gleichgewicht zu halten. Ein Teil von ihm wusste, dass es nur eine Halluzination war und er noch immer in seinem Käfig saß, aber es fühlte sich real an. Sehr real.
Die Wellen brodelten; der schwarze Himmel über ihm wurde von Blitzen zerrissen, und das Schlingern des Schiffes warf ihn mit dem Gesicht gegen die Wand einer Schiffskabine. Licht aus einer Laterne an einem Mast flackerte unsicher. Im Vergleich zu den mächtigen und wütenden Blitzen war es schwach.
Lichtsang blinzelte. Sein Gesicht wurde gegen etwas gedrückt, das auf das Holz gemalt war. Ein roter Panther, der im Laternenschein und Regen glitzerte.
Der Name des Schiffes, erinnerte er sich. Der rote Panther.
Er war nicht Lichtsang. Genauer gesagt, er war es schon, aber eine viel kleinere und rundlichere Ausgabe seiner selbst. Er war ein Schreiber und an ein solches Leben gewöhnt– daran, lange zu arbeiten, Münzen zu zählen und Kontobücher zu prüfen.
Nach verlorengegangenem Geld suchen– das war es, was er getan hatte. Er war angeheuert worden, weil er für seine Auftraggeber herausfinden sollte, ob sie betrogen oder nicht vertragsgemäß bezahlt worden waren. Es war seine Aufgabe gewesen, die Bücher durchzusehen und nach verborgenen oder verwirrenden rechnerischen Unregelmäßigkeiten zu suchen. Er war tatsächlich ein Detektiv gewesen– aber nicht von der Art, wie er es sich vorgestellt hatte.
Wellen schlugen gegen das Boot. Llarimar, der nun einige Jahre jünger aussah, rief vom Bug aus nach Hilfe. Matrosen eilten zu ihm. Es war nicht Llarimars Schiff, und es gehörte auch nicht Lichtsang. Sie hatten es für eine Vergnügungsfahrt ausgeliehen. Segeln war eine von Llarimars liebsten Freizeitbeschäftigungen.
Der Sturm war ganz plötzlich aufgezogen. Lichtsang kam wieder auf die Beine, aber er konnte sich kaum aufrecht halten und klammerte sich an der Reling fest, während er nach vorn taumelte. Wellen leckten über das Deck, und die Seeleute kämpften darum, das Boot vor dem Kentern zu bewahren. Die Segel waren bereits verschwunden; nur zerfetzte Überreste waren geblieben. Überall um ihn herum knirschte und krachte das Holz. Schwarzes Wasser wirbelte rechts von ihm.
Llarimar rief Lichtsang zu, er solle die Fässer verzurren. Lichtsang nickte, packte eines der Seile und wand es um den Bootskran. Eine Welle traf ihn, er rutschte aus und wäre beinahe über die Reling ins Wasser gefallen.
Er erstarrte, ergriff das Seil und starrte in die wahnsinnigen und erschreckenden Tiefen des Meeres. Dann schüttelte er sich und band das Seil mit einem weiten Henkersknoten fest. Das war etwas ganz Natürliches für ihn. Llarimar hatte ihn schon auf viele Segeltörns mitgenommen.
Llarimar rief wieder nach Hilfe. Plötzlich stürmte eine junge Frau aus der Kabine, rannte quer über das Deck und ergriff einige Seile, weil sie helfen wollte. » Tatara!«, rief ihr eine Frau aus der Kabine nach. Entsetzen lag in ihrer Stimme.
Lichtsang schaute auf. Er erkannte das Mädchen. Er streckte die Hand aus, das Seil wand sich zu einer Schleife. Er rief dem Mädchen zu, es solle wieder unter Deck gehen, aber seine Worte durchdrangen den Donner nicht.
Das Mädchen drehte sich zu ihm
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