Sturmkönige 02 - Wunschkrieg
größte Ehrlichkeit, die sie einander zu bieten hatten, weil sie beide wussten, was das hier war und warum es so war und weshalb es nichts anderes sein durfte.
Sie trat aus seiner Erinnerung ins Jetzt, trat aus den Schwärmereien eines Halbwüchsigen in die Gegenwart eines Mannes, und sie war längst selbst zu einer Frau geworden. Das änderte alles, und es änderte nichts.
Strampelnd streiften sie den Rest ihrer Sachen ab, verschlungen in hungrigen, ungelenken Umarmungen, und schienen einander mit jedem Fingerbreit Haut zugleich zu berühren. Seine Hände strichen über ihre Hüften, an ihren Beinen hinab, liebkosten ihre Waden und Füße und Zehen. Sie küsste sich an seinem Hals weiter abwärts, hielt seine Brustwarzen zwischen den Zähnen fest, stieß ihn fort und klammerte sich im nächsten Moment schon wieder an ihn. Ihre Schenkel schlossen sich um ihn, und dann war eine ungeheure Hitze zwischen ihnen, die auf seinen ganzen Körper übergriff, und ein Teil seiner Erinnerung war endgültig ausgelöscht, weil das hier die Wahrheit war und alles andere nur Traum.
Wir kämpfen für etwas, das wir nie kennen gelernt haben.
Hatte er hierfür gekämpft? Es fühlte sich an, als wäre alles für diesen Augenblick geschehen, für diese Nacht in ihren Armen, das Lodern ihrer schwitzenden Leiber, das Tasten, die Küsse, für die grüne Glut in Maryams Augen.
Hatte er dafür gekämpft, vor allem mit sich selbst? Mit den Zweifeln und der Gewissheit, sie eben doch zu lieben, auf diese falsche, fatale, dumme Weise, die er so wenig wollte wie sie und die er doch nicht länger verleugnen konnte?
Ich habe dich immer geliebt.
Das wollte er nicht sagen, wollte es nicht aussprechen, weil es damit wahr werden würde. Aber viel später in der Nacht flüsterte er es dennoch, flüsterte es in ihr Ohr, und sie richtete sich auf und sah ihn an und wisperte:
»Und wenn wir morgen sterben?«
Der Angriff
Es war wie ein Schrei aus den steinernen Eingeweiden der Berge, ein Heulen, das aus den Tälern aufstieg, von den Felswänden widerhallte und sich einen Weg durch verzweigte Schluchten und Senken suchte.
Kriegshörner, vielstimmig wie das Geschrei der tollwütigen Menschensklaven, sandten Alarmsignale hinaus in das zerklüftete Felsenlabyrinth. Der Heerzug der Dschinne, mehrere Kilometer lang und in der Enge der Pässe und Spalten zu einem schmalen Band gepresst, erwachte aus der Lethargie des eintönigen Marschs. Krieger stiegen aus den schattigen Talgründen auf, ganze Schwärme purpurner Dschinne, die ihre Peitschen sinken ließen und stattdessen zu Schwertern und Keulen griffen. Die meisten schossen steil in die Höhe, angetrieben von ihren Befehlshabern, um nach Gegnern rechts und links des Heeres Ausschau zu halten. Viele erreichten in ihrer Erregung den Scheitelpunkt ihres Flugvermögens und sackten hastig zurück in die Tiefe, um nicht ins Trudeln zu geraten.
Wie sich bald zeigte, war es gar nicht nötig, so hoch aufzusteigen.
Der Feind war längst da.
Zu beiden Seiten der Tälerkette brausten die Sturmkönige in ihren turmhohen Windtrichtern über den Felsenkamm. Sie schoben eine graue Gischt aus Staubwolken vor sich her, die prasselnd und donnernd die Bergflanken hinabraste, gefolgt von der heulenden Rebellenstreitmacht. Wie eine Lawine aus Wind und Sand fauchten sie die Hänge hinunter, langgezogene Reihen aus Tornados, die vorderen fünfzig, sechzig Meter hoch, die hinteren kleiner und wendiger. Ohne weitere Vorwarnung griffen sie den Heerzug der Dschinne von beiden Seiten an.
Eine Weile lang schien es, als könnten sie siegen. Die meisten Kundschafter der Dschinne waren getötet worden, bevor sie das Heer in den Tälern hatten warnen können. Ein paar hatten überlebt, aber sie waren nur kurz vor den Angreifern angekommen und hatten mit ihrem Alarm kaum etwas ausrichten können. Die gigantischen Wirbelstürme jagten von den Bergkämmen hinab in den gewaltigen Heerwurm, folgten in einem Zickzack seinem Verlauf, radierten Besessene, Dschinne und Dienerkreaturen aus.
Sandfalter mit zerfetzten Schwingen taumelten zwischen den Trichtern umher, versprühten in Panik Gift und Säure und wurden an Felswänden zu öligen Flecken zerrieben. Schwarmschrecken bohrten sich in blindem Gehorsam in die kreisenden Windrüssel, töteten Rebellen und wurden ihrerseits aus der Luft gepflückt und zerschmettert. Die Sklavenscharen, die zum Sturm auf Bagdads Mauern eingesetzt werden sollten, waren den Tornados am Boden
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