Sturmkönige 02 - Wunschkrieg
Menschen, die zu selten zum Waschen kamen. Das Zelt selbst war auf die Schnelle errichtet worden, die meisten anderen Rebellen würden unter freiem Himmel übernachten. Sie alle waren erschöpft, nachdem sie den ganzen Tag damit verbracht hatten, aus dem Versteck in den Elburzbergen hierher, an die Flanken des Zagrosgebirges, zu ziehen. Dutzende Wirbelstürme hatten die Ausläufer der Salzwüste am Fuß der Berge durchpflügt, eine Streitmacht, die kaum zu übersehen war. Aber wider Erwarten waren sie nicht angegriffen worden. Die Dschinne mussten alle Patrouillen aus der Einöde abgezogen haben, um sie in ihre Hauptstreitmacht einzugliedern.
Junis hatte die Sturmkönige auf dem alten Teppich begleitet, statt mit einem von ihnen im Inneren eines Tornados zu reiten. Es hatte sich gut angefühlt, einfach nur das zu tun, was er am besten konnte. Auch gewöhnten er und das fremde Muster sich allmählich aneinander. Er würde auf diesem Teppich mit den Sturmkönigen in die Schlacht ziehen.
»Setz dich.« Maryam deutete auf eines der verstreuten Kissen. »Es kommt mir vor, als wäre es ein halbes Leben her, seit Jibril das gleiche Gespräch mit mir geführt hat. Fühlt sich an wie der Moment, in dem einem klar wird, dass man einen Alptraum hat und eigentlich gleich aufwachen sollte.«
»So geht’s mir schon seit Samarkand.«
Sie nickte ernst. »Und plötzlich verklärt sich ein Gefängnis zu etwas Wunderbarem. Als ich dort gelebt habe, habe ich mir nichts mehr gewünscht als fortzugehen. Und heute sehne ich mich manchmal danach zurück. Es hat eine Weile gedauert, bis mir klar wurde, dass der Alptraum schon viel früher begonnen hat.«
»Vor zweiundfünfzig Jahren?«
Sie lächelte. »Jibril hat wirklich nichts ausgelassen, was?«
Der weißhäutige Junge hatte Junis gestern Abend hinauf in die Felsen über dem Lager geführt und ununterbrochen geredet, stundenlang. Von der Spaltung der Welt und der Verbannung der Magie. Von einer Flasche am Meeresgrund. Davon, dass diese Welt ein Abbild der anderen war und dass es ausgerechnet der Wilden Magie zu verdanken war, dass dies alles hier existierte, sie selbst, aber auch die Dschinne. Zuletzt hatte Jibril vom Dritten Wunsch gesprochen, der furchtbarsten Waffe der Dschinne in ihrem Krieg gegen die Menschheit, und dass sie die Fürsten schlagen mussten, bevor sie damit zum finalen Schlag ausholen konnten.
Junis sah die zusammengerollte Karte an, die zwischen ihnen am Boden lag. »Wenn dieser Dritte Wunsch wirklich existiert und vielleicht schon bald einsatzbereit ist, warum verschwendet ihr dann Zeit mit einem Angriff auf ihr Heer? Warum setzt ihr nicht alles daran, ihn zu finden und zu vernichten?«
»Weil wir noch immer keine Ahnung haben, was wir uns darunter vorstellen müssen. Nicht mal Jibril. Vielleicht haben sie den Dritten Wunsch bei sich, um ihn gegen Bagdad einzusetzen, so wie eine ihrer magischen Belagerungsmaschinen. Oder aber -«
»Oder er ist anderswo«, fiel Junis ihr ins Wort, »und ihr opfert viele Männer und Frauen für nichts und wieder nichts.«
»Jibril glaubt, dass er die Wahrheit aus einem Dschinnfürsten herausbekommen könnte, wenn wir einen von ihnen lebend gefangen nehmen.«
»Darum also geht es euch?«
»Auch, ja.«
»Soweit ich weiß, ist es bislang nicht mal gelungen, einen einzigen gefangenen Dschinn auszuhorchen.«
»Nicht in Samarkand oder Bagdad«, sagte Maryam und strich sich eine imaginäre Strähne ihres kurz geschnittenen Haars aus dem Gesicht. Junis hatte das schon mehrfach bei ihr beobachtet, und er fragte sich, ob ein Teil von ihr nicht doch stärker in der Vergangenheit verwurzelt war, als sie es sich eingestehen wollte. »Wir haben viele von ihnen eingefangen, und Jibril kennt Wege, sie zum Sprechen zu bringen. Die Schwierigkeit ist, dass die einfachen Krieger kaum mehr sind als ahnungslose Drohnen. Die Einzigen, die mehr über die Zusammenhänge wissen, sind ihre Fürsten.«
Junis schüttelte müde den Kopf. »Also fangen wir uns morgen einen Dschinnfürsten, Jibril nimmt ihn in die Mangel, und schon öffnet sich vor uns der Weg zum Dritten Wunsch? Nichts einfacher als das.«
»Wenn du einen besseren Plan hast, lass ihn hören.« Sie zuckte die Achseln. »Ein Gutes hat es, wenn man nicht weiß, was einen erwartet. Es gibt keine Eventualitäten, die man durchspielen müsste. Nur: Wir greifen an und gewinnen oder verlieren.«
Junis hatte eigentlich mit ihr über ganz andere Dinge reden wollen. Was wusste sie wirklich
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