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Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Titel: Sturmkönige 02 - Wunschkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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sterben würde. Und ob er sich dessen bewusst war.
    »Das alles ist nicht mehr wichtig«, sagte sie gefasst. »Ich habe versagt. Kahraman wird meine Mutter töten lassen. Und dann werden sie und ich uns wiedersehen, schon bald.«
    Harun al-Raschid sah sie nachdenklich an, die Augen leicht verkniffen, die gefalteten Finger an die Lippen gepresst.
    »Hast du dich jemals gefragt, ob es mehr Sand in der Wüste als Sterne in der Nacht gibt?«, fragte er sie.
    Sabatea schüttelte verwundert den Kopf.
    »Ich schon.«
    Sie legte den Kopf schräg, verstand nicht.
    Er erhob sich und trat zur Tür. »Überall nur Wüste, sogar am Himmel«, sagte er leise und ging.

 
Kabir der Knüpfer
 
 
    Ein Pferdewiehern weckte ihn. Tarik schrak auf.
    Die Dämmerung eines frühen Morgens schimmerte durch Ritzen im Dachstuhl und das grobe Gewebe der Vorhänge. Obwohl er es besser wusste, fühlte er sich einen Augenblick lang, als befände er sich noch immer in der Luft: Der Boden schien unter ihm zu schwanken, das Zwielicht an ihm vorüberzurauschen. In seinem Schädel drehten sich die Eindrücke und Bilder der Nacht, als wäre etwas von ihm dort oben zurückgeblieben und kreiste hoch über den Kuppeln und Türmen der Stadt, auf der Flucht vor riesenhaften Heuschrecken und Raubvögeln, die mit ihren Schwingen und Klauen den Himmel beherrschten.
    Das Wiehern erklang erneut, dann klapperten Hufe draußen auf dem Pflaster, entfernten sich träge. Nur irgendein Gaul, kein Elfenbeinpferd.
    Geräusche und Stimmen drangen durch das Fenster herein. Gassenlärm vor dem Haus. Stimmengewirr, Schritte auf Stein und Staub. Das Gegacker von Hühnern in Käfigen, die auf den Rücken vorüberschlurfender Kamele zu knarrenden Türmen aufeinandergebunden waren. Irgendwo balgten sich Hunde um Abfälle. Zwei Frauen beschimpften sich wüst über die Gasse hinweg, ehe eine die hölzernen Läden ihres Fensters zuschlug.
    Dann klirrte Metall. Schwerter, die gegen eiserne Beinschienen schlugen. Der harte Schritt mehrerer Soldaten auf Patrouille. Tarik horchte angespannt, als sie näher kamen, das Haus passierten und sich wieder entfernten. Seine Finger blieben am Griff des gestohlenen Krummschwertes liegen, selbst als die unmittelbare Gefahr vorüber war.
    Ein Pochen an der Tür der Kammer.
    Kabir der Knüpfer trat ein, ohne auf Tariks Aufforderung zu warten. Dies war sein Haus, seine Teppichwerkstatt in einem der engsten Viertel Bagdads, und er würde den Teufel tun, sich von einem dahergelaufenen Schmuggler herumkommandieren zu lassen. Das hatte er bereits deutlich gemacht, als Tarik in der Nacht erschöpft und voller Zorn auf sich selbst bei ihm aufgetaucht war.
    »Hier«, sagte der Alte ohne Begrüßung. »Trink das. Heiße Brühe aus Knochenmark. Das bringt dich auf die Beine.«
    Tarik setzte sich auf und ergriff die tönerne Schale mit beiden Händen. »Danke.«
    Kabir verschränkte die Arme und musterte ihn. »Hinter dem Haus im Hof steht ein Waschzuber. Hast es ziemlich nötig.«
    Der Teppichknüpfer war ein kleiner, sehniger Mann mit einem Turban, der zu schwer aussah für seinen Kopf und die schmalen Schultern. Sein Bart war lang und grau und seine Brauen so buschig, dass sie die winzigen Augen überschatteten. Auf der linken Wange saßen drei tropfenförmige Narben wie Tränen – Spuren eines Unfalls mit Bleiche während seiner Lehrzeit vor über fünfzig Jahren.
    Tarik nippte an der Brühe, fand sie einigermaßen genießbar und schlürfte ein wenig mehr davon. Es war die erste Nahrung, die er zu sich nahm, seit Sabatea und er in den Zagrosbergen der Patrouille begegnet waren. Wie lang war das her? Zwei Tage?
    »Was ist passiert?«, fragte der Knüpfer.
    »Ärger«, entgegnete Tarik wortkarg.
    »Du warst lange nicht mehr in der Stadt.«
    »Sechs Jahre.«
    »Was also ist passiert?«
    Erst jetzt begriff Tarik, dass Kabir nicht die Ereignisse der vergangenen Nacht meinte, sondern das, was ihn seit Jahren von den alten Schmuggelrouten ferngehalten hatte.
    »Die Dschinne werden Bagdad belagern«, fuhr Kabir fort. »Wir werden also eine Menge Zeit für Erzählungen haben, so wie es aussieht.«
    Tarik sah von der Schale auf. »Ich nicht.«
    »Du willst wieder verschwinden? Schlechte Nachrichten, Junge. Die Garde hat Bagdad gestern Abend abgeriegelt. Keiner gelangt mehr raus oder rein.«
    Kabir und Tariks Vater hatten einst miteinander Handel getrieben. Nach Jamals Tod hatte Tarik die Geschäfte mit dem Knüpfer fortgesetzt. Der fliegende Teppich, den er von

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