Sturmkönige 02 - Wunschkrieg
Herrschaft über Samarkand sichern soll, wenn der Rest der Welt endgültig an die Dschinne fällt. Bei Allah, ich weiß sogar, dass er in all seiner Verblendung nicht erkennt, dass die Dschinne ihn nur benutzen und vernichten werden, sobald sie mit uns hier in Bagdad fertig sind.«
Sabatea erwiderte jetzt seinen Blick, weil sie allmählich den Menschen in ihm sah, nicht mehr den allmächtigen Regenten. Mit einem Mann konnte sie umgehen, das lag ihr im Blut. »Ihr bekommt noch immer Nachrichten von Euren Spionen im Palast von Samarkand?«
»Recht häufig sogar. Seit die Dschinne Besseres zu tun haben, als die Vögel vom Himmel zu fangen, gelingt es einem von drei Falken, das Dschinnland unbeschadet zu durchqueren.«
»Dann wisst Ihr alles?«
Er nickte sehr langsam, als wäre sein Haupt schwerer als zuvor. »Kahraman hat dir von klein an Gift verabreichen lassen, um dich unempfindlich gegen seine Wirkung zu machen. Du bist zur besten Vorkosterin geworden, weil Schlangengift durch deine Adern fließt – jedenfalls erzählt man sich das. Er hat diesem kleinen Mädchen, das er seinen Alchimisten überlassen hat, über viele Jahre hinweg unsägliche Schmerzen zugefügt, hat es wieder und wieder an den Rand des Todes gebracht und dabei beobachten lassen, was das Gift seinem Körper antut. Deinem Körper, Sabatea. All das weiß ich. Und noch mehr.«
»Wer ich wirklich bin?«
Ein erneutes Nicken, ein zähes Schweigen, dann: »Du bist Kahramans Tochter.«
Stille breitete sich zwischen ihnen aus, für einen endlos gedehnten Augenblick.
Erst als Sabatea den Eindruck gewann, dass er den Rest von ihr selbst hören wollte, ergriff sie widerstrebend das Wort. »Nachdem so viele andere an den Experimenten zugrunde gegangen waren, entriss er meiner Mutter seine neugeborene Tochter. In seiner maßlosen Überheblichkeit glaubte er, nur Fleisch von seinem Fleisch könne dem standhalten, was all die anderen Kinder das Leben gekostet hatte. Fast jeder Tag meiner Kindheit bestand aus Schmerz und dem Wunsch zu sterben. Aber ich starb nicht. Mein Körper lernte allmählich, all das Gift zu ertragen, das sie mir Tag für Tag verabreicht haben.« Sie stieß ein kaltes, verbittertes Lachen aus. »Ob wirklich reines Gift durch meine Adern fließt, wie die Leute behaupten? Ich weiß es nicht. Es sieht aus wie gewöhnliches Blut, so viel steht fest. Aber nur wenige Tropfen reichen aus, um einen Menschen zu töten.«
Der Kalif wandte den Blick nicht mehr von ihr ab, war jetzt hochkonzentriert und strahlte wieder das aus, was sie erstmals in seinem Audienzsaal wahrgenommen hatte. Eine Aura von Größe und Weisheit, der Schlüssel zu jener Verehrung, die seine Untertanen ihm entgegenbrachten.
»Sein Ziel war immer, dich zu einer Waffe zu machen.« Es klang, als hätte er diesen Gedanken schon sehr viel früher gefasst, lange bevor sie einander begegnet waren. »Die Legende von der besten Vorkosterin der Welt, dem Mädchen, das jede noch so winzige Menge Gift schon aus der Ferne wittern kann… dein ganzer Ruhm, Sabatea, das war alles nur eine Vorbereitung darauf, dich eines Tages dem Kalifen zum Geschenk zu machen. Von Anfang an hatte er geplant, dich an diesen Hof zu entsenden, als denkbar größte und kostbarste Gabe für einen Herrscher mit zehntausend Feinden. Nur dass du mich nie vor Gift bewahren, sondern es mir stattdessen selbst einflößen solltest.«
»Ich hasse meinen Vater«, sagte sie. »Was ich tun sollte, habe ich nicht aus freien Stücken getan. Seit Monaten hält er meine Mutter gefangen und droht, sie zu töten, wenn ich seinen Befehlen nicht gehorche. Und immer, wenn ich aufbegehren wollte, war das die eine Waffe, die er wieder und wieder gegen mich benutzt hat: Gehorche oder deine Mutter stirbt.« Sie kämpfte jetzt gegen Tränen an, aber sie hielt seinen Blicken weiterhin stand. Sollte er sie ruhig weinen sehen. Sie hatte nichts mehr zu verlieren. Ganz sicher nicht seinen Respekt.
»Ihr Name ist Alabasda, nicht wahr?«
Sabatea nickte. »Sie war eine von vielen Frauen meines Vaters. Kahraman hat sie wie die anderen jungen Mädchen in seinen Palast bringen und nie wieder von dort fortgehen lassen. Aber keine andere hat ihm jemals ein Kind schenken können – nur Alabasda… nur meine Mutter. Vielleicht hat er deshalb geglaubt, dass ich stark genug wäre, die Torturen seiner Alchimisten und Giftmischer zu überleben. Ich weiß es nicht.«
Der Kalif holte langsam Luft, ein ungesundes Rasseln. Sie fragte sich, ob er
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