Sturmkönige 02 - Wunschkrieg
– und verstummte wieder.
»Was?«
»Also, ich weiß auch nicht, was es ist. Wirklich.«
Tarik beugte sich vor. »Aber du hast davon gehört?«
»Nicht direkt.«
»Sondern?«
»Man schnappt so manches auf.«
»Komm schon, Kabir!«
»Ist eine Weile her… da war mal die Rede von einem Ring.« Der Alte knetete sein Kinn mit Daumen und Zeigefinger. »So haben sie es genannt – den Ring des Dritten Wunsches.«
»Sie? Und was für ein Ring soll das sein?«
»Ich verstehe nicht, was das mit dem Mädchen zu tun hat, mit dieser Vorkosterin.«
»Sag mir wenigstens, wo ich mehr darüber erfahren kann.«
Mit einem Seufzen gab sich der Knüpfer geschlagen. »Du könntest den Stummen Kaufmann fragen. Aber wenn ich dir einen Rat geben soll, dann geh zu ihm, bevor dir die Garde noch enger im Nacken sitzt. Falls der Stumme Kaufmann auf die Idee kommt, dass du die Stadtgarde zu ihm führst… nun, mein Junge, dann bete ich, dass Allahs Gnade mit dir grenzenlos ist.«
Perlen im Dunst
Bagdad war eine junge Stadt. Aber es hatte nicht lange gedauert, ehe die Betrüger und Diebesbanden, die Freudenmädchen und Hehler eines der inneren Viertel für sich beansprucht hatten. Und obgleich die meisten Häuser erst seit wenigen Jahrzehnten standen, schien es Tarik, als hätten die Verbrechen und Gelüste ihrer Bewohner stärker an den Gebäuden genagt, als Alter und Schmutz das jemals vermocht hätten.
Hier fühlte er sich wohl, gar keine Frage.
In Samarkand hatte er zu viele Nächte in den Tavernen und Hurenhäusern des Qastal-Viertels verbracht, als dass ihn der Blick in Bagdads schwarze Seele hätte schrecken können. Die Gassen waren eng, als hätten sich die Häuser entschlossen, die Reißbrettplanung der Stadt nachträglich in ihrem Sinne zu verändern. Plätze, die als Basare gedacht gewesen waren, dienten jetzt als Umschlagplatz für Diebesgut und die nackte Haut der Mädchen. Aus offenen Fenstern ertönten Flüche, Gelächter und Schreie. Es war, als hätte der bevorstehende Angriff der Dschinne die Menschen dazu gebracht, noch mehr von ihrem wahren Gesicht zu entblößen. Viele Szenen, die Tarik beobachtete, schienen ihm Teil eines fatalistischen Fests zu sein, mit dem das Gesindel dem Untergang entgegenfeierte. Taschendiebe bestahlen einander. Sklavinnen tanzten mit Menschenhändlern. Verwahrloste Kinder spielten unter Tischen, die sich auf offener Straße unter vollen Krügen bogen. Musik erklang aus allen Richtungen, die Melodien wechselten schon nach wenigen Schritten. Flötenspiel, ekstatisches Trommeln, Gesang und zarter Saitenklang tönten im Wechsel aus Fenstern und Türen, waberten über Männern, die sich um Wasserpfeifen scharten, umschmeichelten Frauen, die ihre Körper hinter Vorhängen und Torbögen feilboten.
All das erinnerte Tarik an die Schicksalsergebenheit der Bewohner von Samarkand: Man war eingesperrt, abgeschnitten von einer Welt, die zum Alptraum geworden war, und man besann sich auf das, was die Menschen seit jeher mit der größten Zufriedenheit erfüllte – auf Fressen und Saufen, auf Feiern und Vögeln.
Kabir hatte ihm den Namen eines Badehauses genannt, wo er den Stummen Kaufmann antreffen mochte. Er erreichte es am frühen Nachmittag, einer Tageszeit, zu der daheim im Qastal-Viertel für gewöhnlich Ruhe einkehrte: Bis zum Mittag wurden die Betrunkenen der Nacht aus den Tavernen gekehrt, und die Exzesse des Abends begannen erst in einigen Stunden von Neuem. Nicht so in Bagdad, dem viel gepriesenen Auge Allahs, dem reinen Herzen des Reichs der Gläubigen. Hier, im labyrinthischen Herrschaftsgebiet der Verbrecher-Gilden, dem Umschlagplatz jedweder Lustbarkeiten, nahmen die Nächte kein Ende, hatten die Abende keinen Anfang. Obwohl die größte Hitze des Tages herrschte, die Sonne hoch über den Gassen stand und manches aus den Schatten riss, das im Dunkeln besser aufgehoben gewesen wäre, wogte eine Flut aus Leibern und Lärm durch die Gassen. Schweiß glänzte auf verkniffenen Fratzen und üppigen Formen, tränkte Lumpen und allerfeinste Seide.
Es gab mehrere Badehäuser in diesem Viertel, und sie dienten den unterschiedlichsten Zwecken. Dieses eine aber war groß genug, alle Wünsche unter einem einzigen Dach zu erfüllen.
Tarik ignorierte die Offerten devoter Dienerinnen, kaum dass er durchs Tor getreten war, achtete auch nicht auf das Geflüster der Hehler, die ihre Ware unter weiten Umhängen darboten. Über einen quadratischen Innenhof wehten Wasserdampfwolken aus
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