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Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Titel: Sturmkönige 02 - Wunschkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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geschnitten war, dass sie gerade ihre Brust bedeckte. In die Vorderseite waren schmale Taschen eingenäht, die nur von innen zu erreichen waren; darin steckten Münzen, mit denen sie einige Tage auskommen würde. Blutgeld, dachte sie benommen. Dass sie es sein würde, die man für den Gifttod des Kalifen verantwortlich machen würde, wusste sie; die weiteren Folgen aber wagte sie sich nicht auszumalen. Nicht jetzt.
    Der Diener hielt Wache, während sie sich hinter einer Marmorsäule umzog. Das Nachthemd knüllte sie zusammen und schob es unter einen bodenlangen Vorhang. Zuletzt befestigte sie einen schwarzen Schleier mit einem Kettchen am Hinterkopf. Er bedeckte ihr Gesicht unterhalb der Augen und legte sich bei jedem Atemzug eng an Lippen und Nase.
    Wortlos führte der Mann sie durch eine Seitentür in einen schmalen, schmucklosen Gang, der nur von der Dienerschaft benutzt wurde. An der Rückseite der Tür war ein Schild mit einer dreistelligen Zahl angebracht. Es stellte sich heraus, dass viele solcher Korridore kreuz und quer durch den Palast führten, und an alle grenzten die gleichen nummerierten Türen.
    Auf ihrem Weg bogen die beiden häufig ab, um anderen Bediensteten auszuweichen, auch wenn Sabatea niemanden sah oder hörte. Die Sklaven bei Hofe waren angewiesen, sich lautlos und so unauffällig wie möglich zu bewegen, und das taten sie selbst hier, wo sie unter ihresgleichen blieben. Auch Sabateas Führer huschte geräuschlos wie ein Dieb vorneweg, trotz seiner gebückten Haltung.
    Immer wieder stiegen sie Treppen hinab, die von Mal zu Mal schmaler und staubiger wurden. Nirgendwo in den Dienstbotengängen gab es Fenster – sie schienen wie Tunnel durch das Innere der Wände zu führen, damit kein hochgestellter Bewohner oder Gast des Palastes auch nur durch Zufall auf einen davon stoßen konnte. Bald brannten keine Öllampen mehr in den Wandnischen, und fortan spendete eine langstielige Kerze, die Sabateas Führer unterwegs entzündet hatte, das einzige Licht.
    Schließlich gelangten sie am unteren Ende einer engen Treppe in einen Raum, der älter aussah als der Rest des Palastes. Die Wände waren nicht mehr gekalkt, sondern grob aus Lehmziegeln gemauert. Sabatea zögerte, als sie im Boden eine Falltür aus engmaschigem Gitterwerk entdeckte. Mit einem scharfen Ausatmen wich sie zurück.
    Der Diener schwenkte die Kerze herum. »Hab keine Angst, Vorkosterin. Das hier ist kein Verlies.«
    »Was dann?«
    »Der Zugang zu einem sehr viel älteren Bagdad als jenes, das die meisten anderen Menschen kennen.«
    »Du erwartest allen Ernstes, dass ich da runtersteige?«
    Er nickte, ohne ihr in die Augen zu sehen. »Und du wirst es allein tun müssen, weil mein Weg hier endet.«
    Impulsiv schüttelte sie den Kopf. »Vergiss es!«
    »Mein Herrscher, den ich mehr liebe als mein Leben, trinkt in diesem Augenblick das Gift aus deinen Adern. Ich möchte bei ihm sein, wenn es zu Ende geht.«
    Als Kind war sie gezwungen worden mit anzusehen, wie ihr Blut erst Tieren, dann Sklaven eingeflößt wurde. Sie wusste, wie wenig Zeit einem Menschen danach noch blieb. Der Diener würde zu spät kommen, ganz gleich, wie sehr er sich jetzt noch beeilte.
    Sie trat neben ihn und blickte durch das Bodengitter in lichtlose Finsternis. »Um nichts in der Welt geh ich dort runter.«
    »Dann wirst du sterben«, sagte er. »Und das entspricht nicht dem Wunsch meines Herrn.«
    Sie ging am Rand des Gitters in die Hocke. Trockene, kühle Luft stieg herauf, kein Kerkergestank. Plötzlich wusste sie, woran sie der Geruch erinnerte – an die Grotte der Hängenden Städte. Sie zuckte zurück.
    »Was ist dort unten?«, fragte sie.
    »Niemand. Nur die alten Tempelfundamente, auf denen Teile der Stadt errichtet wurden. Wenn du dem Weg folgst, den ich dir beschreibe, wirst du wieder ans Tageslicht gelangen.«
    »Und wenn ich mich verirre?«
    »Besser nicht.« Er klang jetzt ungeduldiger. Womöglich wollte er mit seinem Meister sterben. Es war dieser Gedanke, nicht seine rasche Bewegung, die sie alarmierte. Sie hatte seine Entschlossenheit unterschätzt.
    Abrupt riss sie den Kopf herum, wollte ausweichen, aber da traf sie schon etwas Hartes am Hinterkopf. Die dunkle Umgebung verschwamm vor ihren Augen.
    Sie wurde nicht gänzlich bewusstlos. Stattdessen lag sie auf der Seite neben dem Gitter und sah wie in einem Alptraum dem Diener zu, als er die Falltür hochstemmte. Ihr Kopf tat weh, schlimm genug, um sie für kostbare Augenblicke zu lähmen. Der Mann

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