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Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Titel: Sturmkönige 02 - Wunschkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Zog die Beine an und legte eine Wange auf die Knie. Dann weinte sie, heftiger als in all den Jahren zuvor, weinte über das, was aus ihr geworden war, und um das, was sie draußen im Dschinnland dazugewonnen hatte – und was ihr gleich darauf wieder genommen worden war.
    Um sie war die Schwärze längst erstarrt, wieder leblos, einfach nur Dunkelheit, die sie jetzt als beruhigend empfand, überhaupt nicht mehr beängstigend oder bedrückend. Wie leicht das ist, dachte sie. Ihre Gefühle waren wie ausgetauscht. In ihrem Inneren gab es Furchterregendes genug; wie lächerlich waren dagegen die eingebildeten Schrecken dieser Tempelkatakomben.
    Selbstmitleid half ihr nicht weiter, auch das wusste sie. Sie tippte mit dem Zeigefinger gegen die Öllampe, fast zärtlich, als wäre die kleine Kupferkanne ihre Verbündete. Sie strich daran entlang, folgte der gewölbten Form mit der Fingerspitze, schob sie hinauf zur Flamme. Wie betäubt hielt sie den Finger ins Feuer, bis der Schmerz unerträglich wurde. Dann endlich war sie wach, war wieder sie selbst.
    Mit einem Ruck stand sie auf und setzte ihren Weg fort, folgte der Mauer, bis vor ihr eine Säule aus wirbelndem Staub erschien. Ein Lichtstrahl, der schräg von der Decke fiel.
    Sie trat hinein und blinzelte in die Helligkeit.
     

     
    Es war ein Spalt, der sich über die Decke zog. Kein direktes Sonnenlicht. In der Finsternis des Tempelfundaments wirkte es hundertmal heller, als es eigentlich war. Dort oben befand sich ein weiterer Innenraum, so viel konnte sie sehen. Von irgendwoher fiel Tageslicht herein. Mehr konnte sie nicht erkennen, dazu war der Spalt zu schmal und ihr Blickwinkel zu ungünstig.
    Sie horchte. Keine Stimmen dort oben, keine Geräusche.
    Unter der Öllampe knirschte Sand, als Sabatea sie am Boden abstellte. Außer der Mauer, der sie gefolgt war, sah sie auch hier keine weiteren Wände. Die Kammern und Gänge dieser Katakomben hatten atemberaubende Ausmaße.
    Der Spalt über ihr reichte bis zur Wand. Sabatea klopfte mit der flachen Hand gegen die Ziegel und untersuchte die bröckeligen Fugen. Jetzt dämmerte ihr, warum der Diener spitze Stiefel für sie ausgewählt hatte. Damit war es nicht allzu schwierig, genug Halt beim Klettern zu finden. Kein Kinderspiel bei einer Höhe von mehr als zwei Mannslängen, aber auch nicht völlig unmöglich.
    Sie brauchte vier Anläufe, ehe sie hoch genug hinaufgelangte, um ächzend eine Hand durch den Spalt schieben zu können. Falls dort oben jemand war, musste er sie jetzt entdecken. Aber sie hatte keine Zeit, sich in allen Einzelheiten auszumalen, was dann passieren mochte – ein Schwerthieb auf ihre Finger, ein Stiefelabsatz, der ihre Hand zerquetschte. Das reichte als diffuse Bedrohung.
    Sie riskierte einen Sturz, als sie ihr ganzes Gewicht ihrem rechten Arm anvertraute, nur für den einen Augenblick, um auch die linke Hand durch die Öffnung zu strecken. Einen Moment später baumelte sie unter der Decke, hielt sich an beiden Seiten des Spalts fest und schaukelte zweimal vor und zurück, bis ihre Füße wieder Halt an der Mauer fanden. Dann stieg sie langsam daran aufwärts und stemmte zugleich ihren Oberkörper durch den Spalt. Sie stützte sich mit den Ellbogen auf, ihr Unterkörper ragte bis zur Brust aus dem Boden, und ihre Beine strampelten einmal mehr im Nichts. Mit letzter Kraft drückte sie sich nach oben, schob sich seitwärts über die Kante und zerrte die Beine hinter sich her.
    Zehn, fünfzehn Atemzüge lang lag sie einfach nur da, unfähig, auf die Umgebung zu achten, ganz auf ihre pumpenden Lungen konzentriert. Sie schmeckte Staub auf den Lippen, und da, wo ihre Knochen auflagen – an den Schultern, den Hüften –, machten sich Schmerzen bemerkbar. Sie waren es, die sie schließlich alarmierten und dazu brachten, erst in die Hocke zu gehen, dann langsam aufzustehen.
    Sie befand sich im unteren Teil eines Turms, quadratisch im Grundriss, drei Stockwerke hoch. Die beiden Holzböden über ihr waren schon vor langer Zeit eingestürzt, ihre Trümmer verrottet; dass es sie überhaupt einmal gegeben hatte, erkannte sie nur an den Öffnungen in den Wänden, in denen irgendwann Balken verankert gewesen waren. Aber auch steinerner Schutt bedeckte den Grund des Turms, Überreste des Dachs. Durch eine klaffende Öffnung über ihr fiel Tageslicht.
    Als Erstes kam ihr die Frage in den Sinn, warum nicht auch der Spalt verschüttet worden war; als Zweites die Gewissheit, dass irgendwer ihn frei geräumt hatte.

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