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Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Titel: Sturmkönige 02 - Wunschkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Pylonen und Statuen in Deckung, horchten, beobachteten, warteten ab.
    Natürlich war der Palast nicht gänzlich entvölkert. Wachen wanderte paarweise die Flure hinab und spekulierten tuschelnd über die wichtige Nachricht, die anderswo gerade verkündet wurde. Wenn sie die hohen Fenster und Ausgänge zu den Terrassen passierten, glitzerte auf ihren spitzen Schalenhelmen das violette Rot der Morgendämmerung.
    Die Verunsicherung der Soldaten kam Tarik und Sabatea zugute, während sie hinter Standbildern und Wandschleiern kauerten und abwarteten, bis die Gefahr vorüber war. Erst dann pirschten sie weiter, bis zum Äußersten angespannt und auf der Hut vor der nächsten Patrouille. Tarik war nie ein Dieb gewesen, und was er an Schnelligkeit und Geschick besaß, fehlte ihm zweifach an Geduld. Er war nicht geschaffen für diese elende Schleicherei. In allem, was er jemals getan hatte, war er eines ganz sicher nicht gewesen – lautlos. Er hatte seine Konflikte immer offen ausgetragen, hatte Gegnern die Stirn geboten, manchmal laut polternd, niemals subtil.
    Auch Sabatea mangelte es an Erfahrung, aber sie war beherrschter in ihrer Zielstrebigkeit. Sie bewegte sich nahezu geräuschlos, verschmolz mit den Schatten und fand in Windeseile die besten Verstecke. Mehrfach musste sie Tarik mit einer Geste oder einem Ellbogenstoß vor näher kommenden Soldaten warnen. Einmal war er drauf und dran, sich mit bloßen Händen auf die Männer zu stürzen, nur um endlich eine Klinge zu erbeuten, die ihm helfen sollte, es mit dem ganzen Palast aufzunehmen.
    Sie schienen bereits seit einer Ewigkeit unterwegs zu sein – der Himmel vor den Fenstern färbte sich feuerrot, und die Gebetsrufe der Muezzins hallten über die Stadt –, als Sabatea ihm mit Handzeichen zu verstehen gab, dass sie die Gemächer des Hofmagiers beinahe erreicht hatten.
    Plötzlich blieb sie stehen.
    Alarmiert blickte Tarik sich um, konnte aber weder Soldaten noch andere Palastbewohner entdecken. Einige Vorhänge wehten träge im Morgenwind. Nichts anderes bewegte sich, selbst die fernen Rufe zum Gebet verklangen allmählich.
    »Er weiß, dass wir hier sind«, flüsterte sie.
    Rechts von ihnen erhob sich eine hohe Wand, behängt mit roter Seide. Zwei Mannslängen über ihnen verlief an dieser Seite des Raumes eine Galerie. Soweit Tarik erkennen konnte, befand sich niemand dort oben. Trotzdem fürchtete er Bogenschützen auf der Lauer, schob sich schützend vor Sabatea und presste sie zugleich noch enger an die Wand. Um sie schlugen die Seidenvorhänge Wellen, rote Wogen wanderten nach rechts und links.
    »Wo stecken sie?«, fragte er leise.
    »Keine Wachen«, erwiderte sie. »Aber er beobachtet uns. Khalis.«
    An der Stirnseite des weiten Raumes befand sich ein erhöhtes Podest mit einem zweiflügeligen, spitz zulaufenden Portal. Das feine Gitterwerk der Torflügel war aus geschnitzten Schriftzeichen zusammengesetzt. Stufen führten von beiden Seiten auf die Empore. Neben der Tür hing ein mannshoher Bronzegong in einer dreieckigen Aufhängung aus Holz und Eisen. Ein Schlegel mit rundem Kopf, groß wie ein Streitkolben, lehnte daneben.
    Über dem Portal war ein Spiegel aus poliertem Gold angebracht.
    »Sein Auge«, raunte Sabatea.
    Er folgte ihrem Blick hinauf zu dem Goldspiegel. Trotz der Entfernung konnte er ihre Umrisse auf der Oberfläche erkennen, verzerrte Strichfiguren vor Marmor und Seidenschleiern. Der Spiegel war gewölbt, um den gesamten Saal zu erfassen.
    »Das Zimmer, in dem sie mich untergebracht hatten, war mit allen möglichen Dingen gespickt, durch die er mich beobachten konnte. Ich dachte, ich hätte mir das eingebildet – aber dann hat Harun es bestätigt.« Ihre Stimme klang belegt. Zauberei schien sie stärker einzuschüchtern als jede Androhung von Gewalt. »Ich konnte es spüren… seine Blicke, die mir überallhin gefolgt sind. Wie ein kalter Wind, der durch alle Kleider dringt.«
    »Je länger wir hier herumstehen, desto größer ist die Gefahr, dass er uns die Garde auf den Hals hetzt.«
    Sie nickte zur gegenüberliegenden Seitenwand des langgestreckten Saales. Zehn Säulenbögen reihten sich aneinander, unter allen wehten rosige Seidenbahnen. Dahinter lag eine breite Terrasse, die sich außen über die gesamte Länge des Raumes erstreckte. Aus der Tiefe jenseits der Balustrade wehten Stimmen herauf, das Gemurmel einer Menschenmenge. Die Versammlung der Palastbewohner.
    »Da vorne!«, raunte Sabatea ihm zu.
    Er musste einen Schritt zur

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